Das Forum braucht einen neuen Chef Liebe Forumsgemeinschaft,

ich wende mich heute mit wichtigen Neuigkeiten an euch als Betreiber dieses Forums. Es fällt mir nicht leicht, diese Worte zu schreiben, aber aus persönlichen Gründe werde ich die Plattform zukünftig nicht mehr weiterführen können. Es ist mir ein Anliegen, euch darüber zu informieren und gleichzeitig nach einer Lösung zu suchen, damit das Forum weiterhin existieren kann. Spekulationen über die genauen Gründe sind unnötig, es hat überhaupt gar nichts mit dem Forum zu tun. Mehr Dementi wird es nicht geben.
Was sind die Gründe?
In den vergangenen Jahren wurde es für mich zunehmend schwierig, mich ausreichend um das Forum zu kümmern. Dies zeigt sich nicht zuletzt darin, dass meine eigenen Beiträge immer seltener geworden sind. Obwohl ich die Arbeit an diesem Forum und den Kontakt zu all unseren Besuchern stets als angenehme Erfahrung empfunden habe, sehe ich mich nun mit der Realität konfrontiert, dass ich die aktuelle Verantwortung nicht mehr tragen kann.
Wer macht weiter?
Dennoch bin ich fest davon überzeugt, dass dies nicht das Ende unseres geschätzten Forums sein muss. Daher wende ich mich nun an euch alle und frage in die Runde, ob jemand bereit wäre, die Domain und das gesamte Forum zu übernehmen. Die technische Administration kann ich leider ebenfalls nicht länger gewährleisten, daher suche ich nicht nur nach einem neuen Eigentümer, sondern auch nach jemandem, der die Aufgabe der Serveradministration übernimmt.
Zeitplan und organisatorische Fragen
Mein Zeitplan sieht vor, den "Betrieb" so schnell wie möglich an einen geeigneten Nachfolger zu übergeben. Sollte sich bis zu diesem Zeitpunkt niemand finden, und falls ich keine andere Möglichkeit zur Fortführung des Forums finde, müsste ich die Abmeldung des Dienstes und der Domain wahrscheinlich im April oder Mai 2024 durchführen. Diese Entscheidung würde damit zusammenhängen, dass zu diesem Zeitpunkt die jährlich gebuchten Dienste wie Server, SSL, Domain usw. verlängert werden müssten.

Bis zu diesem möglichen Übergabetermin werde ich selbstverständlich weiterhin die laufenden Kosten (ca. 150 €/Jahr) tragen und mich darum kümmern, dass der Nachfolger sich in das Forensystem, die Dateistruktur auf dem Server sowie die Administration des Servers einarbeiten kann. Meine volle Unterstützung und Erfahrung stehen demjenigen zur Verfügung, der bereit ist, dieses Forum in die Zukunft zu führen.
Bitte meldet euch bei mir, falls ihr Interesse an einer Übernahme habt oder weitere Fragen habt. Lasst uns gemeinsam nach einer Lösung suchen, dass diese Gemeinschaft auch in Zukunft bestehen bleibt.

Ich habe HIEReinen Forenbeitrag eröffnet, der auch für Replys offen ist...

Von körperlosen Stimmen, Blechmännern, Glaskugeln, von ungesungenen Liedern, Humor und Respekt

Der Musikmarkt in Deutschland ist im Wandel und das hat Auswirkungen auf alle Künstler/innen in allen Bereichen.
Diskutiere mit uns über die richtigen Wege und falsche Entwicklungen. Was sollte sich ändern, was darf sich nicht ändern? Welche Rolle spielen wir Konsumenten? Was kann die Politik tun?

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Beitrag von Skywise »

Olle Tom Waits kennt das. Eines schönen Novembertages schaltet man das Radio ein und bekommt ungefragt einen Werbespot für Chips auf die Ohren, der einem den ganzen Tag versaut. Nicht wegen der Knusperdinger, sondern weil da ein griffiger Jingle gesungen wird. Und eigentlich ist es noch nicht mal der, sondern vielmehr die Stimme, die den singt, denn das war seine eigene, oder vielmehr: ein Stimmenimitator, der sein prägnantes Organ nachgeahmt hat. Nun, wahrscheinlich hat er sich bereits davor die Frage gestellt, wer diese ausdauernd geräucherten und anschließend in harten Substanzen zu Tode ertränkten Stimmbandreste für eine Werbung haben möchte. Zumindest hat er an diesem Tag anno 1988 die Antwort gefunden. Der geschätzte Tom Waits ist nun kein grundsätzlicher Gegner von Werbung, immerhin hat er selbst tatsächlich schon einmal als Sprecher einen Spot aufgewertet, allerdings hat er sich immer dagegen ausgesprochen, ein künstlerisches Werk via Werbung in die Belanglosigkeit zu senden oder ein Lied auf ewig mit einem bestimmten Produkt zu verbinden. Zumal dann, wenn der Künstler selbst nicht eingebunden ist und das Label über dessen Kopf hinweg entscheidet. Hier aber lag der Fall etwas anders - das Lied, das nun für Chips stand, stammte nicht aus der Feder von Tom Waits, und er hatte es auch nicht gesungen - es war nur der typisch Waits'sche Tonfall, der dieses Stück verzierte. Eine Stimme ist kein Fall für Urheberrechte, und wenn die Aufnahme ebenfalls nicht von einem stammt, dann hat man auch keine Handhabe bezüglich der Nutzungsrechte (oder international: des Copyrights). Und dennoch zog Tom Waits vor den Kadi. Man könnte es als den Versuch werten, sein Quasi-Markenzeichen und damit sich selbst und sein Werk vor Mißbrauch zu schützen. Und er gewann. Das brachte ihm auf einen Schlag einen Schadenersatz ein, der die Einnahmen aus den Verkäufen all seiner Alben überstieg, und darüber hinaus auch - neben dem Respekt der Musikbranche - den Ruf, ein Mensch zu sein, mit dem man sich besser nicht anlegt ... hat sich aber immerhin nur über drei Jahre gezogen, diese Prozesskette.

Nun gut, mittlerweile schreiben wir das Jahr 2023, da gibt es ganz andere Möglichkeiten, weil sich die Technik dramatisch weiterentwickelt hat. Kann durchaus positiv sein. Paul McCartney sprach unlängst davon, ein altes Demo-Band zu einer neuen Beatles-Single aufmotzen zu wollen. Gut, da gibt's ein Problem, und das ist kein neues: als ich zuletzt durchgezählt habe, fehlte die Hälfte des ursprünglichen Quartetts. Anläßlich des Erscheinens der "Anthology"-Kompilationen '95/'96 hatte man für die beiden Singles "Free As A Bird" und "Real Love" auf tontechnisch minderwertiges Material zugegriffen und als verbliebenes Trio versucht, die Mängel technisch auszumerzen oder mit künstlerischen Mitteln zu übertönen. Ergebnis - na ja, aber es war trotzdem beeindruckend, was man alles bewerkstelligen konnte, wen man nur wollte. Ein ähnliches Verfahren möchte Paulchen heutzutage wieder anwenden. Wahrscheinlich kein Problem in Zeiten, in denen man aus einer fertigen Aufnahme als Privatmensch mehr oder weniger mit einem Mausklick einzelne Tonspuren isolieren kann, um sich entweder für den eigenen Gesang ein Playback zu stricken, oder um sich im Detail anhören zu können, was der Künstler seines Vertrauens da gerade exakt ins Mikro schluchzt. Und die Künstliche Intelligenz befähigt einen sogar zu mehr. McCartney greift Spekulationen zufolge auf ein Demo zurück, das knappe 50 Jahre auf dem Buckel hat. Es ist davon auszugehen, daß dieses Band so gelagert wurde, wie man halt ein Demo-Band lagert, selbst wenn man ein Beatle ist. Demnach ist mit mieser Tonqualität ebenso zu rechnen wie mit Aussetzern, Rissen etc. - natürlich kann die Künstliche Intelligenz diese feinen Lücken heutzutage füllen. Also ist damit zu rechnen, daß man trotz eines aus dem Müll gefischten, ungeliebten Tonbands einen deutlicheren und saubereren John Lennon aufgetischt bekommt als noch vor knapp 30 Jahren. Und die Künstliche Intelligenz kann heutzutage noch viel mehr. Man kann der KI sagen "Ich hätte hier gerne ein Solo im Stil von George Harrison reingequetscht" - und die macht das für einen. Ohne daß der geneigte Hörer wirklich in der Lage wäre, einen Unterschied auszumachen. Wenn der Tontechniker was kann und jemand vor Ort ist, der beurteilen kann, wie ein echter Harrison so was spielen würde.

Ist das erstrebenswert? Okay, ich verstehe jeden, der die Künstliche Intelligenz als große Spielwiese ansieht. Kreativen Menschen unterstelle ich, daß sie sich gerne mit neuem Spielgerät in die Ecke zurückziehen und dort intensiv überlegen, was man damit alles anfangen könnte. Ich will auch Paul McCartney nicht unbedingt einen größeren Vorwurf machen als unbedingt notwendig. Und ob tatsächlich bzw. in welchem Umfang die Künstliche Intelligenz ein bis zwei Beatles ersetzt, muß sich auch erst noch zeigen. Allerdings dachte ich beim Lesen dieses Konzepts recht schnell in die Richtung von Stanisław Lems "Existieren Sie, Mr. Johns?" oder - für die jüngeren Konsumenten - an den Blechmann in L. Frank Baums "Zauberer von Oz" - das Schicksal des kybernetischen Roboters Mr. Johns und des Blech-Holzfällers in "Oz" ist im Ursprung dasselbe: beide ursprünglich menschlich, verlieren sie zunächst durch einen Unfall einen Körperteil, der durch einen künstlichen ersetzt wird, in der Folge verlieren sie jedoch einen zweiten, dritten ..., bis sie schließlich vollständig zu einem Roboter bzw. zu einem Blechmann geworden sind. Der Blechmann in "Oz" verlor dadurch sein Herz, Mr. Johns möglicherweise seine Existenz.

Die Künstliche Intelligenz greift um sich, zumindest im Bereich der Kunst. Wenn man sich auf den einschlägigen Portalen ein wenig in Sachen Musik rumtreibt, bekommt man sehr schnell Audio-Material zu Gehör, das so eigentlich nicht sein kann. Paul McCartney als Interpret von Gilbert O'Sullivans "Alone Again (Naturally)"? Johnny Cash singt "Barbie Girl"? David Bowie singt "Volare"? Ach nee, Quatsch, die Bowie-Version gibt's tatsächlich ... ähm ... Reinhard Mey singt "Ein Bett im Kornfeld" ... obwohl ... ne, gibt's auch ... öhm ... genau, Frank Sinatra singt "Wonderwall"?. Egal. Ist hoffentlich klar geworden, was ich sagen will. Die Künstliche Intelligenz bekommt Informationen zur Verfügung gestellt über das Material eines Künstlers inklusive seiner Stimme, seines bevorzugten Stils, seines Instrumentariums etc. und nutzt dies als virtuelles Handwerkszeug, um anderer Leute Ideen in dessen Stil umzusetzen. Je nachdem, wieviel Ressourcen man in die Hand nimmt und wie geschickt man die Kombinationen wählt oder erstellt, fällt das Ergebnis mal mehr, mal weniger überzeugend aus. Und, hey, ich versteh' das auch vonseiten des Konsumenten. Der interessiert sich vielleicht tatsächlich dafür, wie das klönge, wenn Bob Dylan ausnahmsweise mal Reinhard Mey nachsingt statt umgekehrt, wenn Konstantin Wecker die Puffmutti-"Layla" anstimmt oder Elvis Presley "Muß i denn zum Stä..." - obwohl, hab' ich das nicht auch schon mal irgendwo ...?

Das Problem ist, daß wir uns hier in einem Raum wiederfinden, in dem die juristische Handhabe noch nicht wirklich existiert. Bedeutet nix Anderes als: da wird's noch Knatsch geben, und zwar auf internationalem Niveau, weil - das Internet ist international. Das ist irgendwie natürlich der Gag daran, aber es gibt nach wie vor kein übergreifendes internationales Recht, an das man sich klammern kann, wenn man auf seinem Weg durch die virtuelle Welt an der einen oder anderen Ecke anrumpelt. Wir haben unterschiedliche Interessen, wir haben unterschiedliche Rechtslagen, wir haben ein Problem, denn die Grenze zwischen "nur'n Jux" und geschäftlichen Interessen ist ziemlich dünn und porös, und über das Thema "Rechtslage" brauchen wir uns gar nicht erst zu unterhalten. Wer die Stimme eine Künstlers herausfiltert, um damit ein fremdes oder sogar sein eigenes Stück zu versehen, mag noch nix Böses im Sinn haben, sobald es aber an die Öffentlichkeit gerät, gibt's Probleme, denn wie schon zu Beginn gesagt: es gibt denn Fall Waits, der zumindest in den USA ebenfalls Rechte an seiner nachgeahmten Stimme hat, selbst dann wenn *weder* das Stück *noch* die Aufnahme unter seiner Mitwirkung entstanden. Das in Deutschland in diesen beiden Fällen greifende Urheberrecht wäre also ebenfalls nicht einschlägig, somit driftet man in andere Bereiche des Rechts weiter, womöglich in die des Persönlichkeitsrechts. Im Augenblick drängt die Frage an einigen Stellen des Netzes nach vorne, und ich meine auch: völlig zurecht, denn es gilt, nicht nur die Künstler, sondern praktisch jede Person (sowie jedes Persönchen) des Öffentlichen Lebens möglichst zu schützen. Was in der BRD die Künstler wert sind, haben wir ja während der Pandemie bereits festgestellt, als Vater Staat den Kreativen so tatkräftig unter die Arme gegriffen hat *hüstel* und auch die einschlägigen Medien geschlossen ihr Repertoire mit nationalen Künstlern angereichert haben, um ihnen in Krisenzeiten wenigstens eine Plattform zu bieten *weiterhüstel*, aber hier geht es schon wieder um mehr, denn daß man heutzutage eine Angela Merkel problemlos das Horst-Wessel-Lied singen lassen kann, hat irgendwie ein galliges Geschmäckle, und das werden auch einige andere Leute abseits der Musikbranche schmecken. Dennoch - es werden noch Jahre vergehen, bis man sich auf ein internationales Recht berufen kann, bis man sich in Peking, Daressalaam, Ontario, Bagdad, Bielefeld und anderen exotischen Orten auf einheitliche Regeln geeinigt haben wird. Und ich gehe nicht davon aus, daß die Sachen, die sich aktuell bereits zeigen, so harmlos bleiben werden, wie sie aktuell sind, denn deutlich schneller als die Rechtslage wird sich die Technik weiterentwickeln, es werden zusätzliche Programme vverfügbar werden, der Umgang damit wird idiotensicherer - und über Respekt voreinander oder dem Werk Dritter brauchen wir uns heutzutage auch keine Illusionen zu machen.

Will sagen: lacht, wenn euch was zu lachen geboten wird. Aber paßt auf mit dem Setzen von Links auf Material, das der Künstler so bestimmt nicht gewollt hat. Der Künstler hat vieles getan, um euch zu unterhalten und zu denken zu geben, zahlt es ihm nicht, indem ihr seine virtuellen Körperteile und Erzeugnisse an Orten zeigt, an denen sie nichts verloren haben. Und freut euch an der Kunst, die euch gegeben, und nicht an der, die anderen genommen, und sei's auch nur in Teilen.

Gruß
Skywise
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Clemens (Mi 16. Aug 2023, 23:14)
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Viktor
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Beitrag von Viktor »

Lieber Skywise,

danke für deinen ausführlichen Beitrag und alle die Denkanstöße.

Es folgen ein paar meiner Gedanken, aber vorab:
Irgendwie erwecken KI-Themen bei mir immer eine gewisse Müdigkeit. Ich spüre zwar, dass es eine ganz heiße Baustelle unserer Zeit ist, aber es ist alles so komplex und im schnellen Weiterentwickeln, dass ich mich gar nicht reinfuchsen mag. Vielleicht ist es auch aus Angst vor der Ungewissheit eine gewisse Verdrängungstaktik bis zu dem Moment, an dem man nicht mehr dran vorbeikommt?
Ich habe jedenfalls noch keinen ChatGPT-verfassten Text mehr als 1 Absatz lang gelesen. Und bis zu deinem Beitrag hatte ich die Beatles-Schlagzeilen gekonnt weggeklickt, d.h. mir war bis eben gar nicht klar, was genau da gemacht wurde. So so.

Ich sehe 3 besonders interessante Felder, die du ansprichst:
(1) Stimmen-Imitation.
Hier sehe ich auch sehr großen Bedarf für Gesetze und Regeln; dein Angela-Merkel-singt-Horst-Wessel-Lied-Beispiel illustriert das ja perfekt. Die Sache mit Tom Waits fand ich interessant; kannte den Fall nicht. Ist ja fast ein Hoffnungsschimmer, dass schon früher in solch eine Richtung überhaupt rechtlich nachgedacht wurde. Hat mich aber auch ein bisschen an die Reinhard-Mey-Imitationen in der Allianzwerbung  erinnert -- und ich glaube, gegen diese "handgemachten" Aneignungen der Mey'schen stilistischen Markenzeichen hätte das Original rechtlich keine Handhabe gehabt, hmm? Das tendiert vielleicht eher zu Folgendem:

(2) Kreativprozesse "im Stile von"
Egal wie gut eine KI irgendjemandes Stil nachempfinden kann, tröstet es mich doch, dass es ja die Vorbilder zunächst gegeben haben muss. Auch beim Konsumenten hat der George-Harrison-Stil ja nur einen Wert, weil der "echte" ihn prägen konnte. Und niemand will wohl auf alle Ewigkeit Abklatsche schon vorhandener Dinge konsumieren, also wird es immer eine Sehnsucht nach authentischem Nie-Dagewesenen geben, oder? Und aus Spaß einen Stil nachmachen finde ich nicht so schlimm (zumindest wenn als solches gekennzeichnet): Das kann KI vielleicht brillant schnell und gut, aber haben ja auch echte Menschen immer mal gemacht, YouTube ist schon immer voll von sowas.

(3) Tonspuren isolieren & Audiobearbeitung
Da ging der Fortschritt auch total an mir vorbei, bis ich doch neulich tatsächlich mal aus einem Track eine Gesangsspur isoliert habe, um einem schlechten Mix klarere Stimme zu geben. Da werde ich ja fast noch Fan der Technologie. Fortschritte in anderen Bearbeitungs-Feldern klingen auch attraktiv; Mensch macht sich Maschine zu nutzen, so weit so gut, oder?
Aber so Gedanken, wie du sie äußerst, hatte ich da auch schon: Mit dem superpräzisen Aufdröseln der Aufnahmen steht der Weg für eigene Frankenstein-Kollaborationen natürlich weit offen. Gibts demnächst also Konstantin Wecker im Techno-Remix oder ein Reinhard-Mey-Polka-Album?
Aber die Aufnahmen sind ja wohl rechtlich prinzipiell schon geschützt, ob zerstückelt oder nicht, oder? Ich weiß, dass bei der Band "Die Ärzte" früher schon "Remix-Bootlegs" ein grausiges Phänomen waren - mit den damals viel schlechteren Mitteln haben schon Leute bestehenden Liedern neue Kleider aufgezwungen (und damit versucht, Geld zu machen), wogegen man ja wohl rechtlich gute Handhabe haben dürfte. Dass man das im Internet schwer unterbinden kann, ist natürlich ein anderes Thema.

So weit meine noch leicht unsortierten Überlegungen für den Moment.

Viele Grüße
Viktor

PS:
Skywise Zitat: Mi 16. Aug 2023, 21:02
Reinhard Mey singt "Ein Bett im Kornfeld" ... obwohl ... ne, gibt's auch
Was, was, was, wie jetzt?
...

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Beitrag von Skywise »

Viktor Zitat: Mi 16. Aug 2023, 23:39
Reinhard Mey singt "Ein Bett im Kornfeld" ... obwohl ... ne, gibt's auch
Was, was, was, wie jetzt?
Es gibt ein 1:30-Minuten-Fragment, ja. Christine Westermann und - natürlich vor allem - Götz Alsmann haben während "Zimmer frei" versucht, RM zum Mitsingen zu bewegen, indem sie "Ein Bett im Kornfeld" anstimmten. Befindet sich auf der ersten "Zimmer frei"-CD.

Gruß
Skywise
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Viktor
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Beitrag von Viktor »

Ah, stimmt, kenne ich sogar, hatte es wohl nur erfolgreich verdrängt und hielt es kurz für einen Auswuchs deiner Fantasie, haha, Verzeihung. (Bei "Zimmer frei" fand ich übrigens meist die "Hausmusik"-Segmente mit Nicht-Musikern gelungener als mit Leuten, die ohnehin von Beruf singen...)
Von den wirklich absurden Computerschöpfungen habe ich übrigens das von dir auch erwähnte "Barbie Girl" von KI-Johnny-Cash neulich wirklich mal angehört, aber konnte dem überhaupt nichts abgewinnen. Gab bei mir auch irgendwie keinen Wow-Effekt, dass das Unmögliche möglich geworden wäre.

Schöne Grüße
Viktor
...

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Beitrag von Skywise »

Viktor Zitat: Do 17. Aug 2023, 14:55
aber konnte dem überhaupt nichts abgewinnen
Vielleicht den sechs deutschen Liedern von Johnny Cash ("Wer kennt den Weg", "Viel zu spät", "Wo ist zuhause, Mama", "In Virginia", "Kleine Rosemarie", "Besser so, Jenny-Jo")? Oder den beiden spanischen ("El matador", "Fuego d'amor")?
Man darf halt die Original-Texte nicht kennen, sonst krampft's irgendwo ...

Gruß
Skywise
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Petra
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Beitrag von Petra »

Hallo Skywise,

danke für den interessanten und amüsant präsentierten Beitrag.

Mir fiel dazu ein, dass ja im Moment in Hollywood viele Schauspieler streiken, weil sie befürchten, dass sie durch die KI geklont und dadurch überflüssig werden. Ich war eine Weile in Urlaub und habe mich wenig mit Nachrichten befasst, ich weiß nicht, wie weit die Sache inzwischen gediehen ist.

'Zimmer frei' mit Christine Westermann und Götz Alsmann, das habe ich immer gerne gesehen. Herrlich, wie Christine Westermann trotz völligen Nichtvorhandenseins von Talent tapfer gesungen hat. Das hat es bestimmt jedem Nichtsänger erleichtert, seine Pflichteinlage abzuliefern.

An die Sendung mit Reinhard Mey kann ich mich dunkel erinnern. Sprach er nicht von getrennten Schlafzimmern und dass ab und zu Teller und Tassen fliegen? Naja, das ist lange her. Am besten hat mir die Stelle gefallen, an der Götz Alsmann RM eine Gitarre in die Hand drückte und der anfing zu spielen. Er setzte sofort wieder ab und fragte: "Ist die Gitarre denn gestimmt?" Götz Alsmann antwortete mit todernster Miene: "Jaja, die ist gestimmt --- ab Werk." :-D

Viele Grüße von Petra
Man würde nie mehr Waffen schärfen,
wenn man folgendes bedenkt:
Es braucht die Flinte nicht ins Korn zu werfen,
wer sie beizeiten an den Nagel hängt!
(Christian Grote - Chrizz)

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Beitrag von Viktor »

Skywise Zitat: Mi 16. Aug 2023, 21:02
Nun gut, mittlerweile schreiben wir das Jahr 2023, da gibt es ganz andere Möglichkeiten, weil sich die Technik dramatisch weiterentwickelt hat. Kann durchaus positiv sein. Paul McCartney sprach unlängst davon, ein altes Demo-Band zu einer neuen Beatles-Single aufmotzen zu wollen. [...] McCartney greift Spekulationen zufolge auf ein Demo zurück, das knappe 50 Jahre auf dem Buckel hat. Es ist davon auszugehen, daß dieses Band so gelagert wurde, wie man halt ein Demo-Band lagert, selbst wenn man ein Beatle ist. Demnach ist mit mieser Tonqualität ebenso zu rechnen wie mit Aussetzern, Rissen etc. - natürlich kann die Künstliche Intelligenz diese feinen Lücken heutzutage füllen. Also ist damit zu rechnen, daß man trotz eines aus dem Müll gefischten, ungeliebten Tonbands einen deutlicheren und saubereren John Lennon aufgetischt bekommt als noch vor knapp 30 Jahren.
Fast 24 Stunden ist das Video zu "Now And Then" nun draußen, 10,8 Millionen Aufrufe schon, nicht schlecht.
Und? Was sagt ihr zum Ergebnis dieser musikalischen Archäologie-Arbeit? Wurde ein ordentlicher John Lennon aufgetischt?
Hier erscheint normalerweise ein Video von YouTube. Bitte wende dich an einen Administrator.
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YouTube-Beschreibung Zitat:
Now and Then's eventful journey to fruition took place over five decades and is the product of conversations and collaborations between the four Beatles that go on to this day. The long mythologised John Lennon demo was first worked on in February 1995 by Paul, George and Ringo as part of The Beatles Anthology project but it remained unfinished, partly because of the impossible technological challenges involved in working with the vocal John had recorded on tape in the 1970s. For years it looked like the song could never be completed. But in 2022 there was a stroke of serendipity. A software system developed by Peter Jackson and his team, used throughout the production of the documentary series Get Back, finally opened the way for the uncoupling of John’s vocal from his piano part. As a result, the original recording could be brought to life and worked on anew with contributions from all four Beatles. This remarkable story of musical archaeology reflects The Beatles’ endless creative curiosity and shared fascination with technology. It marks the completion of the last recording that John, Paul and George and Ringo will get to make together and celebrates the legacy of the foremost and most influential band in popular music history.
--V.
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Beitrag von Marc »

Lieber Viktor,

ich bin kein Beatles-Experte, aber die Geschichte um den Song, der Wunsch, ihn in die Gegenwart zu holen, und auch das Video haben mich sehr gerührt. Ein Hall aus der Vergangenheit in die Gegenwart, ein Blick in die Vergangenheit. Auf mich wirkt das alles sehr liebevoll gemacht, sehr ehrlich, sehr melancholisch, fast wie ein schöner Traum: Alles verschwimmt, Gegenwart und Vergangenheit, Altes und Neues.

Fänden die Enkel „unserer“ Liedermacher in 30, 40 Jahren eine Schublade mit verstaubten, unbekannten Demos, wünschte ich mir, es würde etwas Ähnliches daraus erwachsen. Dann säße ich hier oder woanders und würde sicher eine Träne vor Rührung und schöner Erinnerungen vergießen.

Liebe Grüße aus Hannover
Marc
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Michael (So 5. Nov 2023, 07:39) • Viktor (Mo 6. Nov 2023, 10:04)
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So vergeht Jahr um Jahr
und es ist mir längst klar,
dass nichts bleibt,
dass nichts bleibt,
wie es war.

Hannes Wader

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Reino
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Beitrag von Reino »

"Now and then" klingt jedenfalls wesentlich besser als "Free as a bird" und "Real love", vermutlich wegen KI und womöglich autotune.

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