Hallo Forenhansi,
ein interessantes Thema, finde ich. Zu Deinen Fragen schreibe ich mal der Reihe nach meine aus Sicht eines Gesangslehrers sicher unprofessionelle, persönliche Meinung.
a) Habt Ihr Gesangsunterricht für die Grundlagen genommen oder ward Ihr talentiert genug, um ohne auszukommen ?
Ich spiele von Zeit zu Zeit mit dem Gedanken, habe mich bislang aber letztlich doch immer dagegen entschieden, obwohl mir durchaus bewusst ist, dass geschulte Sänger nicht zu unterschätzende Vorteile haben.
Ich finde, gerade bei Liedermachern kommt es auf Authentizität und Individualität an. Letztere ist wohl kein Talent, sondern entwickelt sich erst im Laufe der Jahre - idealerweise immer weiter und macht irgendwann den berüchtigten "eigenen Stil" aus. Klar, die Töne sollte man schon treffen. Das sei einfach mal vorausgesetzt.
Aber ansonsten macht einen Liedermacher für mich vor allem seine Glaubwüdigkeit - auch in darstellerischer Hinsicht -, sein natürliches Auftreten aus. Herbert Grönemeyers Gesang mag ich persönlich sehr (ja, ich weiß, dass er kein Liedermacher ist). Jeder Gesangslehrer würde wohl die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Wenn ich meine Plattensammlung so betrachte, sind meine Lieblingsinterpreten fast alle originelle Sänger, nur selten "gute" im Sinne der Lehre.
Ich denke, wenn man Probleme bei sich selbst bemerkt, z.B. bei der Atemtechnik, kann es sinnvoll sein, mit einem guten (!) Gesangslehrer zu trainieren, der eine Stimme zu schulen vermag ohne sie ihres Charakters zu berauben. Ansonsten würde ich es persönlich eher nicht tun. Da hilft tägliches Üben bestimmt mehr.
Ich kenne durchaus Leute, die der Meinung sind, es sei grob fahrlässig der eigenen Gesundheit gegenüber, ohne Gesangsunterricht überhaupt einen Ton anzustimmen, weil man sich so die Stimme ruiniere. Ich halte das intuitiv für Blödsinn (Brian Johnson, ACDC, dürfte demnach ja nicht mehr auftreten), mir fehlen aber wissenschaftliche Argumente, um fachlich dagegen zu halten ...
.
Was mir beim Lesen mancher "Gesangsanleitungen" auffällt ist, dass vieles für mich gar nicht praktikabel wäre. Wer beim Singen Gitarre spielt, braucht seine Hände nun einmal zum Greifen und Zupfen und kann auch nicht immer kerzengerade stehen.
b) Habt Ihr beim Erlernen/Verbessern Eures Gesangs bewußt die Atemtechnik umgestellt ?
Nein.
c) Singt Ihr Euch vor Auftritten ein ?
Ja. Wenn ich die Zeit dazu habe, spiele ich sowieso den größten Teil des Programms vor dem Auftritt noch mal durch, um Finger und Stimmbänder warm zu machen und Sicherheit zu gewinnen. Und ich fange mit Stücken an, die zu singen mir leicht fällt. Besondere Einsingrituale habe ich nicht.
Ohne mich einzusingen, kann ich nicht auftreten. Zumindest eine halbe Stunde muss sein.
e) Laßt Ihr Euch über Eure Stimme regelmäßig Feedback geben bzw nehmt Ihr auch weiterhin Gesangsunterricht, um das Niveau (bzw die Muskeln in Form) zu halten ?
Professionelles Feeback, z.B. von einem Trainer, lasse ich mir nicht geben. Ich schneide aber regelmäßig Auftritte mit und höre sie mir einige Tage später an, um Fehler zu suchen, die sich unbemerkt eingeschlichen haben. Eine Freude ist das nicht. Es macht keinen Spaß, sich Konzerte mies zu hören, für die man gute Rückmeldungen bekommen hat. Aber nur so kommt man wohl weiter.
Was die Form angeht, glaube ich einfach, dass man durch ständige Praxis am besten lernt. Ich singe täglich drei bis vier Stunden, wobei ich meiner Stimme nach jeder Stunde eine großzügige Pause gönne.
Fazit: Es kommt sicher darauf an, was man will. Wer seinen eigenen Stil entwickeln möchte, braucht vielleicht nicht unbedingt Unterricht, möglicherweise ist es sogar besser, keinen zu nehmen (liebe Profis, bitte schlagt mich nicht dafür). Will man professioneller Popsänger werden, ist Unterricht gewiss hilfreich. Und will man singen können wie Pavarotti, muss man wohl mindestens Gesang studieren.
Grüße vom
clabauter