JuergenF schrieb:
Hallo zodiak,
ich meinte es so wie Mickey: Daß Bittlingers Lied aus meiner Sicht nicht geeignet ist, jemandem wirklich wehzutun.
Clemens hat die Frage gestellt, die auch ich hier angebracht hätte: „Muss man beißen oder wehtun, um eine wichtige und kritische Botschaft an den Mann zu bringen?“ Sind es wirklich immer die Lautesten und Bärbeißigsten, die am Ende wirklich was bewegen?
Die Vergleiche mit Mey und Degenhardt kann ich nicht nachvollziehen. Zum einen, weil wir es in ihnen mit zwei ausgesprochenen Großmeistern deutscher Zunge zu tun haben, zum andern, weil sie beide auf freier Wildbahn agieren und agitieren, während Bittlinger quasi aus dem System heraus operiert und damit anderen Gesetzmäßigkeiten unterliegt.
JuergenF schrieb:
Allerdings fehlt es irgendwie auch an inhaltlicher und formaler Schärfe und Originalität, daher meine Befürchtung, daß Bittlinger womöglich dem Papst argumentativ gar nicht gewachsen sein könnte, aber das ist hier ja nicht das Thema.
Ich unterstelle Bittlinger, dass er die Dinge ganz bewusst klar und einfach auf den Punkt bringen wollte – zumindest in dieser Beziehung könnte nicht nur der Papst noch von ihm lernen.
Wenn man bedenkt, wie viel Kriege vermutlich nur deshalb ausgebrochen sind, weil die Menschen nicht in der Lage waren, sich klar und einfach auszudrücken…
Mickey schrieb:
Ich finde Bittlinger, von dem ich einige CDs habe und dessen Werk ich ebenso bis zu einem gewissen Grad überblicken kann, einfach... ja: nicht besonders mutig, was dieses spezifische Lied anbelangt. Es ist (d.h. ich empfinde es als) nichts Neues, nichts Originelles. Papst-Bashing halt.
Na ja, Bashing im Sinne von heftiger und übermäßiger Beschimpfung würde sich sicher anders anhören. Bittlinger bezieht sich einzig auf die dokumentierte und überprüfbare Politik Benedikts, und die ist nun mal alles andere als originell.
- Fakt ist nun mal, das sich Benedikt 2007 auf seiner Lateinamerika-Reise angesicht von Millionen Opfern blutiger Missionierung und christlicher Kolonialisierung vor die Indios hinstellte und behauptete, ihre Ahnen hätten Christus still ersehnt.
- Fakt ist ebenso, dass Benedikt den Alleinvertretungsanspruch der katholischen Kirche explixit bekräftigt hat, das heißt, er spricht den evangelischen Christen das Recht ab, Kirche zu sein.
- Fakt ist auch, dass Benedikt im Wissen um die AIDS-Gefahr eisern am Verhütungsverbot festhält.
Aus meiner Sicht ist es nicht entscheidend, wie viele intelligente theologische Fachbücher ein Papst veröffentlicht.- entscheidend ist, ob er in der Lage ist, verkrustete Strukturen aufzubrechen, ob er in der Lage ist, dem christlichen und interkonfessionellen Miteinander eine Zukunfts-Perspektive zu geben, und ob er es schafft, eine Vision zu entwickeln, die die Menschen im einundzwanzigsten Jahrhundert nach Christus in ihrer Lebenswirklichkeit erreicht und unterstützt.
Bittlinger legt den Finger in die Wunde – ob das nun neu, mutig oder orginell ist, interessiert mich weniger. Und die 30.000 Menschen, die seinen Clip bei youtube bisher gesehen haben, offenbar ebensowenig. Es gerät etwas in Bewegung, es wird kontrovers diskutiert – gut so.
Clemens schrieb:
Die Zurückhaltung seitens der Protestanten (zu denen ich mich ja rechne) erkläre ich mir, was die leitende Etage angeht, ein Stück wie die damalige Ostpolitik zu DDR-Zeiten. Man lässt schon mal die "Vorlauten" im Regen stehen, um nicht "das Erreichte" zu gefährden...
Eine Taktik, die ich angesichts der Angriffe des Papstes und der daraus resultierenden Spannungen nur bewundern kann. Dennoch meine ich, sollte man diese Haltung immer wieder überprüfen. Denn wenn ich mir die Politik der katholischen Amtskirche hier im Bistum vor Ort anschaue, bin ich nicht sicher, ob die Zurückhaltung der Protestanten nicht auch zu einem schleichenden Rückschritt im Erreichten führen könnte.
Gruß
*Dirk*