Kevelaer, genauer gesagt: Willems Bauernhof in oder bei Kevelaer – das ist das Mekka der Liedermachings. Was immer man darunter verstehen mag - der Ausdruck lässt sich wohl nicht nur einfach mit Worten erklären, es gehört wahrscheinlich auch eine gewisse Lebenseinstellung dazu – wer dazu gehören will, muss auf jeden Fall mal beim Festival in Kevelaer gespielt haben.
Seit 1997 treffen sich dort jedes Jahr an einem Wochenende im August die Liedermachings und ihre Freunde. Komfort wird klein geschrieben, aber das Treffen ist Kult. Man kann dort zelten, es gibt eine Bühne und eine Anlage und auch Kleinigkeiten zu essen, natürlich kann man auch was gegen den Durst tun. Es ist nicht sehr viel Platz, deshalb hielt man den Termin immer mehr oder weniger geheim, sodass nur Eingeweihte dorthin fanden.
Ausgerechnet das Treffen zum 10. Jubiläum musste ausfallen, genaue Gründe schien keiner zu kennen. Dann kam die traurige Nachricht: Im November 2006 ist Willem gestorben. Seither sind die Liedermachings auf der Suche nach einem neuen Zuhause. 2007 war Willems Sohn bereit, das Gelände ein letztes Mal zur Verfügung zu stellen.
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Das Festival in Kevelaer stand auf meiner Wunschliste der zu besuchenden Konzerte, seit ich zum ersten Mal davon gehört hatte, nur … nach Kevelaer ist es sehr weit (jedenfalls von Pirmasens aus), deshalb habe ich den Besuch immer wieder verschoben. Dieses Jahr erfuhr ich am Montag (13.8.) davon, dass es am Freitag stattfinden sollte. Eigentlich sehr kurzfristig, ich wollte den Gedanken schon wieder verwerfen, als ich hörte, dass auch Micha hinfahren wollte. Nach einem Telefonat mit ihm stand fest, ich würde nicht nur nach Kevelaer, sondern anschließend auch noch mit ihm nach Berlin zum Altenhofer Liedersommer fahren. Wie schafft er es nur immer wieder, mich von solch verrückten Aktionen zu überzeugen? :gruebel:
Die Fahrt nach Kevelaer verlief leider nicht wie geplant. Der Navigator ging von optimistischen 3 ½ Stunden aus. Der Weg war mit Baustellen gepflastert, sodass ich wesentlich länger brauchte, und am Schluss ließ mich der Navigator noch kläglich im Stich. Die Adresse 'Am Mühlenwasser 30' konnte nicht richtig eingegeben werden. Am Mühlenwasser war ich zwar, aber dabei handelt es sich nicht um eine Straße im herkömmlichen Sinn, eher um ein Gebiet, auf dem diverse Bauernhöfe verstreut sind. Ich tastete mich durch die Landschaft und sah viele Häschen über die Felder hoppeln, sicher waren sie auf der Suche nach dem Fuchs, um ihm 'Gute Nacht' zu sagen. Ich hatte zwar eine ziemlich genaue Wegbeschreibung von Klausi bekommen, aber ich kam von der falschen Seite, und Annelieses Hinweis, dass ich durch ein Maisfeld fahren müsste, war auch nicht wirklich hilfreich. Das lockte mich auf abenteuerliche Feldwege; dabei stellte sich schließlich heraus, dass der richtige Weg recht zivilisiert war und lediglich zwischen zwei Maisfeldern hindurch führte. Wenn ich mal Menschen begegnete, fragte ich nach Willems Bauernhof, aber niemand konnte mir helfen. Bis mir Micha (telefonisch) den entscheidenden Tipp gab: 'Frag doch mal nach Haschisch-Willi!' Ja, danach ging es dann recht schnell.
Als ich eintraf, war es schon ziemlich dämmrig; es war schon nach neun, und es hatte natürlich schon angefangen. Auf einer Wiese sah ich einen Zeltplatz, auf einer anderen den Parkplatz und unter Bäumen den Konzertplatz mit einem Lagerfeuer. Ich bezahlte meinen Eintritt und wurde gleich von Anneliese begrüßt. Anneliese und Klaus wohnen ja in Krefeld, das ist nicht weit von Kevelaer, und da Micha dort spielte, war es natürlich Ehrensache, dass sie vorbei schauten. Es war so ziemlich alles da, was mit Liedermaching zu tun hat, wer fehlte, wurde sicherlich am Samstag noch erwartet. Hier mal eine Aufzählung derer, die ich bei der unzureichenden Beleuchtung noch ausmachen konnte – ohne Anspruch auf Vollzähligkeit: Lennart und Philipp von Spieltrieb, cARSCHti, Ede Wolf, Micha, Götz Widmann, die Unkrautlinge Frank und Sascha, Kalter Kaffee, Jess, Mike Godyla und der Doktor, Bernd Chudalla, Janina, die blinde Sängerin Andrea Eberl, Jin und Jan, Norman Schuh, Schreihals, Sophie, der Flotte Totte, Fred Timm und viele mir unbekannte Gesichter. Rüdiger Bierhorst wurde noch vermisst, aber Pensen und den Thomaer von Jesus Weed meine ich gesehen zu haben, kann mich aber auch täuschen.
Bei dem Andrang war es leider nicht zu vermeiden, dass jeder nur zwei Lieder spielen konnte. Es gab ein paar Ausnahmen, die für mich nicht nachvollziehbar waren. Teilweise war die Beschränkung auf zwei Lieder ein Segen, aber bei vielen hätte ich auch gerne mehr gehört.
Es gab so etwas wie einen offiziellen Teil, eine Art kontrolliertes Chaos. Der Liedermacherniedermacher spielte den Moderator, der mit seinen respektlosen Sprüchen davon abzulenken versuchte, dass er auch nicht den großen Überblick zu haben schien. Nachdem eine junge Dame auf Englisch gesungen hatte, meinte er: 'Interessant – ich habe kein Wort verstanden.' Sein Kommentar nach einem anderen Vortrag: 'Schönes Lied, aber schlecht gespielt.' Und als Micha auf die Bühne ging (woher wusste der eigentlich, dass er dran war?), fragte er ihn: 'Wer bist denn Du?' Micha: 'Ich bin Michael Günther.' Moderator: 'Und hast Du auch einen Nachnamen?'
Die Liedermaching-Gemeinde ist anscheinend für alles offen. Wie gesagt, gab es auch einen englischen Vortrag, und ein junger Mann versuchte es mit einem Rap. Norman Schuh las Norman Schuh. Skurrile Geschichten ohne Sprachwitz, aber Norman Schuh ist Kult, und wenn ich es richtig verstanden habe, wäre sein Gitarrenspiel auch kein großer Gewinn gewesen. Norman hat anscheinend extra wegen Kevelaer seinen Australienaufenthalt unterbrochen. Ansonsten gab es keine großen Überraschungen. Einige neue Gesichter konnten mich nicht so sehr überzeugen, aber bekannte Namen wie Spieltrieb, Ede Wolf oder cARSCHti mit der Reibeisenstimme boten gewohnte Qualität. Philipp von Spieltrieb hat erzählt, dass er viele neue Lieder geschrieben hat, aber die waren wohl erst am Samstag zu hören. Jess war wieder mal auf der Suche nach einem Akkord. Die zwei Lieder, die er gesungen hat, kannte ich aber schon. Die kommen sicher auf die neue CD, die gerade in Arbeit ist. Bei nur zwei Liedern war die Wahl für Micha nicht schwer. Bei Liedermaching-Festivals ist Sing ein Lied für mich ein Muss, Pech war nur, dass bereits bei diesem ersten Stück eine Saite gerissen ist - die A-Saite, eine der dicksten Saiten, wie ich mir habe sagen lassen. Für das zweite, sein übliches Schlusslied Epilog, musste er sich dann mit einer ausgeliehenen Gitarre begnügen. Micha hat sich dann bald in sein Auto gelegt, da er am nächsten Tag weit fahren musste. Klausi und Anneliese hätten gerne noch Mike Godyla und den Doktor gehört, aber Mike meinte, dass man sie erst zwischen drei und fünf Uhr erwarten könnte. Sie traten dann doch bereits kurz nach eins auf (Mike ausnahmsweise mal ohne Bass), aber Klausi und Anneliese waren da schon weg. Auch Götz Widmann war noch zu hören, und auch er hat sich auf zwei Lieder beschränkt. Götz Widmann ist Mitorganisator oder Schirmherr des Festivals. Es hat mich auch gefreut, den schwäbischen Liedermacher Bernd Chudalla mal wieder zu hören; er geht nicht auf Tour und hat keine Homepage, da ist es schwierig, ihn einmal zu treffen. Die zwei Jungs von 'Kalter Kaffee' hörte ich zum ersten Mal, die waren echt klasse. Und noch ein neues Gesicht möchte ich erwähnen: Schreihals Tilo. Sein erstes Lied erstaunte mich sehr. Ich kannte es schon von seiner Homepage, live kam es aber wesentlich besser, jedenfalls habe ich mich köstlich amüsiert. Es hieß Ich bin Jesus. Auffallend war die Vielzahl korrekt getroffener Töne. Das zweite Lied klang dann wieder wesentlich schräger, aber offensichtlich besteht noch Hoffnung.
Der offizielle Teil war um halb zwei zu Ende. Danach wurde die Anlage abgeschaltet, weil die Technik schlafen wollte – oder trinken. Es waren dann nicht mehr viele da, die unplugged spielen wollten. Es ist halt auch so: Gitarre spielen und gleichzeitig feiern ist schwierig – und es war ja noch genug Zeit am nächsten Tag. So begann ich langsam, mich in meinem Auto einzurichten. Gegen halb vier legte ich mich in meinem Schlafsack auf die Rückbank. Es ging nicht ganz so gut, wie ich erwartet hatte, aber es ging.
Viertel vor neun klopfte Micha an die Scheibe, denn um halb zehn wollten wir aufbrechen. Ich hatte nicht angenommen, dass schon Festival-Teilnehmer auf den Beinen sein würden, aber einige schwirrten doch schon wieder herum. So ein Festival muss man normalerweise von Anfang bis Ende mitmachen. Nachdem ich am Freitag erst spät gekommen war, am Samstag aber schon wieder früh aufbrechen musste, hat mich der Geist von Kevelaer nur gestreift. Aber immerhin konnte ich die letzte Gelegenheit, mal dabei gewesen zu sein, noch nutzen. Um halb zehn ging es los Richtung Berlin zum 4. Liedersommer in Altenhof.
Es war schade, dass wir abfahren mussten, aber auch der Besuch in Berlin hat sich gelohnt. Ein Bericht über den Liedersommer folgt im entsprechenden Thread.
Viele Grüße von Petra