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Rezension der CD "Entschleuniger"

Verfasst: Di 29. Mai 2007, 09:21
von Mario
Es hat lange gedauert, aber nun will ich endlich mein spontan geäußertes Versprechen wahr machen und die Rezi zu Sascha Gutzeits CD „Entschleuniger“ schreiben.
Am morgen bevor ich zum Liedertreffen gefahren bin, habe ich die CD im Briefkasten gehabt, also gerade richtig, um mich mit ihr während der Fahrt auf das Liedertreffen einzustimmen. Also rein in den Player, Auto gestartet und ganz gemütlich nach Trebur gefahren. In Trebur angekommen hatte ich eine Meinung, aber da ich dort nicht zum Schreiben gekommen bin und außerdem die CD mindestens noch einmal hören wollte, habe ich sie auf der Rückfahrt wieder gehört – und danach auch noch zweimal, mit anderen Worten ich habe die CD jetzt 4 mal vollständig und im Zusammenhang gehört und muss sagen: Sie hat mit jedem mal gewonnen.
Ich war schon nach dem ersten Hören überzeugt, dass es sich lohnt die CD zu hören und das Sascha auch eine gute Adresse für live Auftritte ist (auf der CD sind live Aufnahmen). Allerdings muss ich zugeben, beim ersten Hören habe ich noch gedacht, dass die verschiedenen präsentierten Stilrichtungen nicht zueinander passen (Barmusik, Rock, Slapstickballade, Blues), dass Sascha sich besser auf ein Genre konzentrieren sollte und das so manche Reime weniger einem inhaltlichen Gehalt folgen, als vielmehr aus der Not der Notwendigkeit eines Reimes herrühren.
Nach dem vierten Hören sage ich, es ist genau die richtige Mischung - gut, ich persönlich empfinde nach wie vor, dass es heraushörbar ist, ob Bluse gesungen wird, oder ob ein Sänger seinen Blues berichtet. Sascha singt Blues, und das gut, aber manchmal fehlt mir das Gefühl dabei. Sascha vergisst nie sein Publikum und so gut das auf der einen Seite ist, so schmerzlich vermisst man (oder zumindest ich) auf der anderen Seite die völlige Hingabe in die Emotion, die Blues erst zum Blues macht (ihr merkt, es gibt wahrscheinlich auf dieser Welt nur sehr wenige Künstler, die es schaffen mir den Blues nahezubringen, also bitte die Rezi mit Vorsicht und eigener Interpretationsfähigkeit lesen).
Musikalisch empfinde ich die CD als Genuss. Selber kann ich nicht Klavier spielen, aber das was ich bei Sascha höre passt, ist sauber, meist sehr harmonisch, an den richtigen Stellen auch mal gewollt dissonant und den Rhythmus unterstreichend synkopisiert. Auch das Zusammenspiel mit Ingo Meyer, der zweiten, elektrischen Gitarre passt gut und die beiden liefern ein eingespieltes Bild. Soweit die objektive Seite – subjektiv: ich persönlich finde das reine Akustische schöner, aber ich bin halt auch ein alter konservativer Liedermacher und so neumodischer Kram…… :-D :-D
Die CD lässt fühlen, rockt ab und vermeidet Langeweile, wie schon gesagt eine gelungene Mischung.
Was mich auch nach dem vierten Hören nicht loslässt ist die Frage, was wollen mir die Texte sagen, sind es Oberflächlichkeiten oder habe ich sie nicht verstanden. Sagen sie etwas deutlich oder ist es in der eigenen Interpretation versteckt. Ich kann Manfred Maurenbrecher, der ein Begleitwort auf dem Innencover der CD geschrieben hat zustimmen: „Sascha Gutzeit schreibt Stücke, an denen es immer etwas zu entdecken gibt. Wenn man beim ersten Mal gelacht hat, gruselts dann…“.
Ja, ich gebe es zu, ich weiß bis jetzt nicht, was Sascha mir mit dem Lied „Hey Taxifahrer“ sagen will, aber ich habe inzwischen die Musik so in mir aufgenommen, dass ich entspannt groovend dem Text lauschen kann und auf die Erleuchtung warte. Ähnlich geht es mir mit "Kalamazoo", ist es Fernweh, der Wunsch einfach aus dem Standard auszubrechen? Ich lass es jetzt einfach rocken und versuche gar nicht tiefsinniges in den Text hineinzuinterpretieren, aber dann schrecke ich plötzlich hoch und ein eisiger Schauer rinnt meinen Rücken herunter, wenn in der Überleitung von „Kalamazoo“ zu „Zigaretten“ so ganz nebenbei gesagt wird, „Mit 16 darfst du für die USA im Irakkrieg sterben, aber in eine Kneipe darfst du nicht rein“. Schade nur, dass das Publikum solche Bemerkungen anscheinend gar nicht bemerkt, sich kurz darauf aber über „Banalitäten“ halb kaputt lacht.
Fazit: Ich habe in dieser Rezi bewusst nicht auf systematische Ordnung geachtet, ich habe meine Eindrücke runtergeschrieben. Ich bin auch bewusst nicht auf jedes Lied eingegangen, denn ich werde die CD weiter hören, vielleicht brauche ich ein paar Wochen, aber ich bin mir sicher, dass in den Liedern noch einiges zu entdecken ist, dass Aussagen wie z.B. die Traurigkeit mit happy end in Sicht von „Mondlicht Motel“ auch in anderen Stücken zu finden sind. Deshalb wäre es falsch jetzt schon etwas endgültiges zu sagen. Ich bemühe mich bald eine weitere Rezi zu schreiben. Bis dahin an alle:
Es lohnt sich die CD zu hören und wieder zu hören – und ich bin fest davon überzeugt, es lohnt sich, die CD nicht nach einem live Auftritt zu kaufen, sondern schon vorher, damit der Live Auftritt in allen seinen Facetten genossen werden kann.
Ein sehr subjektiver, angenehm berührter Mario

Rezension der CD "Entschleuniger"

Verfasst: Mi 30. Mai 2007, 22:18
von migoe
Lieber Mario,
vielen Dank für Deine sehr persönliche Rezension. Ich habe mir das zum Anlass genommen und Sascha Gutzeit in das (neue) Liedermacher-Archiv aufgenommen. Das ist zwar (noch) nicht für die Besucher verfügbar, aber es wird nicht mehr lange dauern, bis ich die Umstellung vorgenommen habe.
Momentan laufen dazu noch die Tests - ich hoffe, es wird auch mal Feedback von den Testern geben *zwinkerzwinkerzwinker* ;-)
Deine Rezension habe ich für das Album "Entschleuniger" verwendet - ich hoffe, es ist Dir recht!?
migoe

Rezension der CD "Entschleuniger"

Verfasst: Do 31. Mai 2007, 12:37
von Mario
Hallo Migoe,
na klar ist mir das Recht - und es wird auch, wie schon angekündigt eine weitere Rezi zu den einzelnen Liedern geben. ich habe nämlich bereits gesterrn (wieder eine lange Autofahrt) gemerkt, dass beim 5ten mal Hören schon ein tieferer Eindruck verschiedener Texte bei mir hängen geblieben ist - und ich will doch meine Frage "Was will das Lied Hey Taxifahrer mir sagen nicht so im Raum stehen lassen, wenn ich die Antwort gefunden habe :-D
Bin übrigens auch für Diskussionsbeiträge von anderen, die das (oder andere) Lieder von Sascha kennen dankbar. Ich stelle nämlich immer wieder fest, das Musik alleine genossen und Musik gemeinsam genossen ein riesen Unterschied ist, wobei jede dieser Formen seine stimmungsgemäße Rechtfertigung hat.
Mario