fille schrieb:
Es geht mir überhaupt nicht um Sänger, sondern um Liedermacher, Chansonniers oder Singer/Songwriter. Damit meine ich Leute, die Lieder geschrieben haben und damit Musikgeschichte. Wie eben z. B. Bob Dylan, Leonard Cohen, Woody Guthrie, Brassens, Brel und (für Deutschland) Reinhard Mey.
Da wäre ich vorsichtig.
Einerseits, weil ich spontan gar nicht weiß, wo Reinhard Mey Musikgeschichte geschrieben haben soll. Nichts gegen Reinhard Mey, wirklich nicht, aber wenn man mal eine musikhistorische Bilanz seines Schaffens ziehen würde, sähe er ziemlich alt aus, denn wirklich Revolutionäres hat er in seiner Musik nicht vermittelt und auch die Texte, die wirklich mal in musikdidaktischen Büchern diskutiert wurden, kann man erstens an einer Hand abzählen und zweitens heute nur noch bedingt für den Unterricht gebrauchen: "Annabelle, ach Annabelle", "Kaspar", "Abscheuliches Lied für abscheuliche Leute (Im Warenhaus)" und "Diplomatenjagd". Darüber hinaus muß er sich bereits seit seiner Anfangszeit immer wieder mal gefallen lassen, eher in die Richtung "Schlagersänger" abgeschoben zu werden. Ich hab' hier einige Bücher liegen, die sich explizit mit "Liedermachern" beschäftigen, denen Reinhard Mey allerdings höchstens ein abfälliger Halbsatz wert ist.
Wie gesagt - nichts gegen Reinhard Mey, aber ein rauher Ton-Steine-Scherben-Schrei wie "Macht kaputt, was euch kaputt macht!" hat musikhistorisch wahrscheinlich weit mehr Gewicht als das meiste, das Reinhard Mey zustande gebracht hat.
Andererseits wäre ich vorsichtig, weil an dieser Stelle die Arbeitsweise bzw. die Absicht eines Liedermachers unter den Tisch fällt. Es gibt Liedermacher, die einfach für einen Protest oder eine Kundgebung ein Lied verfassen. Das Lied ist im Grunde genommen für die Tonne, in dem Augenblick, da der Interpret wieder zu Hause angekommen ist und sein Instrument in die Ecke stellt. Die Aussage wurde gemacht, sie kam an oder nicht, morgen hat sich die Welt weitergedreht, da kann das Lied veraltet sein. Es gibt viele Singer/Songwriter, die auf diese Weise arbeiten. Nicht alle ziehen sich für zwei Jahre in ihr Hinterstübchen zurück und arbeiten Lieder aus, die auf Haltbarkeit, Perfektion oder Eingängigkeit bedacht sind. Es gibt Liedermacher, von denen keine oder nur wenige Tonträger erschienen sind - weil ihre Themen einfach zu tagespolitisch waren ... oder aufgrund der schnellen Entstehungszeit einfach zu sperrig (oder zu schlecht), um sie auf Tonträger festzuhalten. Solchen Leuten kann musikhistorisch keine Bedeutung zukommen, weil sie es nicht darauf angelegt haben, bedeutungsvoll zu sein. Sie wollten ihre Meinung kundtun - und damit genug der Ambition.
Ich dachte bei meinen Kategorien an Leute die eben entweder in Deutschland, in Europa oder weltweit bekannt sind. Deren Lieder überall von Straßenmusikanten gesungen werden und das in vielen Sprachen.
Franz Schubert - einer der besten Liedermacher überhaupt

Dylan ist einfach einer der größten. Viele, viele haben seine Lieder gecovert. Sie sind universelle Volkslieder geworden (z. B. Rolling Stone). Er war sogar schon für den Literatur-Nobelpreis vorgeschlagen.
Och, wer schon alles für den Nobelpreis vorgeschlagen wurde ... das wäre für mich kein Gütesiegel.
Ich glaube, es waren die Bob-Dylan-Fans, die anläßlich seiner "30th Anniversary Concert Celebration" dafür gesorgt haben, daß Bob Dylan bei mir einen sehr schweren Stand hat. Viele seiner Botschaften scheinen nicht angekommen zu sein, auch bei den eigenen Anhängern nicht. Vielleicht liegt das auch an Dylan selbst, der sich selten zu Wort meldet und wenn, widersprüchliches Zeug von sich gibt ...
Ich weiß nicht richtig, was ich von Dylan zu halten habe. Daß er gute Lieder schreiben kann, will ich ihm nicht absprechen. Aber vielleicht das Talent, eine Botschaft gut rüberzubringen ...
Gruß
Skywise