Hannes Waders Alben: Instrumente und Mitmusiker - Analyse

[Viktor]

Liebes Forum,

Ihr kennt das doch sicher, wenn man das Begleitblatt zur LP oder das Büchlein zur CD liest, sich denkt "hmm, hmm, oh sieh an, Steve Baker hat Mundharmonika gespielt" oder dergleichen -- aber das war's dann auch, oder? Ich vermute, niemand speichert nachhaltig ab, wie sich das Vorkommen bestimmter Instrumente oder Musiker über das Gesamtwerk verteilt.

Da habe ich aus Spaß mal wieder eine große Untersuchung  unternommen!

Beispiele für Aspekte, die ich betrachtet habe...

Auf welchen Alben spielt Hannes Wader selbst eigentlich andere Instrumente als Gitarre? Die Concertina auf dem Foto des "Volkssänger"-Albums kennt wohl jeder, aber dass er beispielsweise auf einer anderen Platte am Keyboard zu hören ist, hätte ich spontan nicht gewusst.

Wisst Ihr auf Anhieb, welches, abgesehen vom Debüt, das einzige Wader-Studioalbum ist, das ohne Mitmusiker auskommt?

Über alle Alben hinweg kommen 44 verschiedene Instrumente zum Einsatz. Aber manche nur ein- oder zweimal. Auf welchen zwei Alben hört man eigentlich eine Harfe?

Ist euch mal aufgefallen, dass 1980 erstmals ein Akkordeon zu hören ist und es damit quasi das Cello der 1970er ablöst, das dann genau eine ganze Dekade lang nicht mehr zu hören ist?

Welches Album, meint Ihr, hat die größte Vielfalt an Instrumenten? Auf "Zehn Lieder" gibt es ja sogar einen Dudelsack, aber ob "Wünsche" mit Streichern und alledem das toppen kann?

Von Gitarren mal abgesehen, welches Instrument kommt wohl am häufigsten zum Einsatz? Ich hätte auf Piano getippt, aber liege damit knapp daneben.

Von den Mitmusikern: Wer ist auf den meisten Alben zu hören? Ich hätte auf Reinhard Bärenz gewettet, aber liege schon wieder falsch!

Hättet Ihr gedacht, dass es drei Musiker gibt, die mit ihren wiederholten Beteiligungen auf Waders Alben jeweils eine rekordverdächtige Spanne von 3 Jahrzehnten oder mehr abdecken?

Auch eine Art Treue: Manche Leute setzen mal jahrelang aus und kehren dann doch zurück. Und damit meine ich nicht nur Reinhard Mey als Gastsänger, sondern auch Musiker, die Ihr wahrscheinlich nicht erwartet hättet.

Wer legt eigentlich den längsten "Run" hin, was Beteiligung an aufeinanderfolgenden Alben betrifft? Heiße Kandidaten wären da wohl die Mitglieder des 1980er-Jahre-Ensembles Auvray/Bärenz/Hartmann, oder? Hmm, jein.

Also, wie gesagt, die Antwort auf all diese Frage - und noch viel mehr - findet man:

hier 

auf einer kleinen Webseite zusammengestellt.

Was findet Ihr am interessantesten in diesen Daten? Für mich ist es die intensive und langjährige Zusammenarbeit mit Benjamin Hüllenkremer: viel größeres Ausmaß, als mir klar war.

Viele Grüße
Viktor

[Helmut]

Lieber Viktor

Sei nicht traurig, wenn Leute behaupten, du wärest ein klein bisschen verrückt. Offensichtlich gibt es noch Leute, die dich diesbezüglich toppen.

In deinem Alter hätte mir so eine Verrücktheit auch passieren können. Und schau, was aus mir im Alter geworden ist, das muss dich doch zuversichtlich stimmen.

[Marc]

Lieber Viktor,

zuerst dachte ich: Jetzt wird er wirklich verrückt, der Viktor, aber dann ertappte ich mich dabei, wie ich mir Deine Auswertung genauer ansah und - für mich - bemerkenswerte Aspekte fand.

Kurzum: Zwei Verrückte haben sich gefunden!

Auf „Zehn Lieder“ (1995) umfasst Waders Beitrag als Gitarrist auch eine Slide Guitar.

Aus dem Bauch heraus hätte ich behauptet, dass er auch auf „Nicht nur ich allein“ (1983) eine spielt: „Die Mine“!?

Alben, auf denen Hannes Wader auch andere Instrumente spielt, sind: [...] „Nicht nur ich allein“ (1983) – nämlich Mandoline, [...] „Nach Hamburg“ (1989) – nämlich Klarinette und Keyboards,

Durchaus bemerkenswert, dass er weder Mandoline noch Klarinette häufiger selbst spielte.

Unter insgesamt 37 Alben kommen nur 6 völlig ohne Mitmusiker aus, nämlich [...] „Kleines Testament“ (1976)

Das Album sticht in der Reihe hervor: Wie es wohl zu der Entscheidung kam? Aus dem Bauch heraus? Bewusste Entscheidung? Das Cover spiegelt das Pure jedenfalls gut wider (habe ich so noch nie gedeutet...).

Platz 3: „Wünsche“ (2001) – 13 Instrumente

Wenngleich das Album zu einem meiner Lieblingsalben im Spätwerk zählt, empfinde ich es insgesamt betrachtet als gutes Beispiel dafür, dass weniger mehr gewesen wäre: Manchmal hat es Ben Ahrens mit der Orchestrierung für meinen Geschmack etwas übertrieben (z. B. das für meinen Geschmack instrumental überfrachtete Ende von „Wünsche“).

Erst 1995 kommt wieder ein Chor zum Einsatz, nämlich die Gruppe Time of Roses, die als Einheit gesehen am häufigsten Gesang beisteuert, denn in wechselnder Besetzung ist sie auch auf „Wünsche“ (2001), „… und es wechseln die Zeiten“ (2004) und „Sing“ (2015) vertreten.

Bemerkenswert - hatte ich nicht auf dem Schirm! Die Gruppe stammt aus Hamburg (Homepage ), ich vermute, dass das Engagement für Hannes' Alben eher auf Ben Ahrens zurückgehen dürfte, weniger auf Hannes selbst.

In dieser Kategorie sind diverse Basstypen, akustisch, elektrisch, Kontrabass etc. zusammengefasst – aus dem Grund, dass die Mitwirkendenlisten zwar bisweilen ins Detail gehen, aber andere Male eben einfach nur von „Bass“ sprechen.

Wenngleich die Bässe natürlich zum Teil sehr markante Klangfarben mit Wiedererkennungswert haben, insbesondere der Bass von Hans Hartmann.

Die Mitmusiker als Personen
Platz 2: Reinhard Bärenz – an 9 Alben beteiligt

Auf der Bühne waren die beiden für mich unschlagbar! Genialer Sound!

Man könnte vielleicht Werner Lämmerhirt vermissen, immerhin Hannes Waders frühester, eng verbundener Begleitmusiker: Er wirkte nur auf 5 Alben mit und hat die Topliste damit knapp verpasst.

Ich erinnere mich, dass ich Hannes um 2006 herum fragte, ob er nicht Lust hätte, mit Werner mal wieder etwas aufzunehmen. Er verriet, dass es die Überlegung für das Album „Neue Bekannte“ gegeben habe, aber die Terminpläne nicht gepasst hätten...

Was mir Deine Auswertung vor Augen geführt hat: Wenngleich ich persönlich hinsichtlich der Arrangements „weniger ist mehr“ in der Regel schätze, sticht „Nach Hamburg“ mit den meisten (gezielt!) eingesetzten Instrumenten musikalisch (textlich sowieso) besonders positiv hervor.

Was mir auch bewusst geworden ist: Als Gastmusiker zum ersten Mal gehört, habe ich diese später oft als eigenständige Künstler schätzen und lieben gelernt, so zum Beispiel Lydie Auvray oder auch Werner Lämmerhirt (ähnlich bei Reinhard: Als Gastmusiker hörte ich zum ersten Mal Manni Leuchter, Giora Feidman oder auch Albrecht Mayer, von allen habe ich mir später CDs zugelegt, von allen habe ich Konzerte besucht...).

Und noch etwas: Als ich Hannes im Studio zur Aufnahme des Albums „Noch hier“ besuchte, war ich überrascht, wie gering der Einfluss bzw. die Einflussnahme von Hannes auf die Arrangements war - er vertraute da voll und ganz seinem Arrangeur Günter Pauler. Ob das bei früheren Produktionen auch so war, weiß ich nicht, aber ich vermute, dass es immer so gewesen sein wird. Der DNA der Lieder wird man daher, wie schon an anderer Stelle in einem anderen Kontext als These von mir aufgestellt, nicht über die Arrangements auf den Studioalben auf die Schliche komme.

Ich bin gespannt, lieber Viktor, mit welcher wahnwitzigen Auswertung Du als nächstes um die Ecke kommst!

Liebe Grüße aus Hannover
Marc

[Viktor]

Lieber Marc,

danke für Deine kompetenten Einschätzungen und lesenswerten Anmerkungen!
Insgeheim wusste ich natürlich, dass es außer Dir nicht viele Leute interessieren wird. Aber wer weiß...!

Aus dem Bauch heraus hätte ich behauptet, dass er auch auf „Nicht nur ich allein“ (1983) eine [Slide-Gitarre] spielt: „Die Mine“!?

Stimmt, mit großer Sicherheit wird dem so sein. Natürlich habe ich mich bei den Schlagworten (hätte ich in der Ausformulierung deutlicher rausstellen sollen) nur an das gehalten, was in den Credits wirklich verzeichnet ist. Offenbar hielt man die Extra-Erwähnung "Slide Guitar" auf "Zehn Lieder" für nennenswert, vormals nicht (wie ja auch der Gesang manchmal nicht extra notiert ist). Es könnte natürlich auch sein -- denn eigentlich ist Slide ja eher eine Spielweisen-Bezeichnung --, dass man sich schlecht ausgedrückt hat und man darauf hinauswollte, dass Hannes eine Lap-Steel o.ä. gespielt hat...? Welches Lied betrifft es auf "Zehn Lieder" eigentlich? Das habe ich (anders als 'Die Mine') spontan gar nicht im Ohr ....
Durch Deinen Hinweis stellt sich mir jetzt natürlich die Frage: Gibt es vielleicht Instrumente, die irgendwo zweifelsfrei herauszuhören sind, aber nicht aufgelistet sind? Tja, im Musikunterricht habe ich es früher gehasst, wenn man Instrumente raushören sollte, mittlerweile selbstverständliche Freizeitbeschäftigung, haha.

Als ich Hannes im Studio zur Aufnahme des Albums „Noch hier“ besuchte, war ich überrascht, wie gering der Einfluss bzw. die Einflussnahme von Hannes auf die Arrangements war - er vertraute da voll und ganz seinem Arrangeur Günter Pauler. Ob das bei früheren Produktionen auch so war, weiß ich nicht, aber ich vermute, dass es immer so gewesen sein wird.

Ja, das ist wirklich eine spannende Frage. Ich meine, in irgendeinem Interview hat Hannes sich mal ein wenig dazu geäußert, dass er durchaus mitredet (ich weiß noch, ich war überrascht, dass er recht fette Orchestrierung halbwegs verteidigte), aber ich vermute, in welcher Form das geschah, wird über die Jahre arg geschwankt haben. Die heiße Ben-Ahrens-Zeit vermute ich jedenfalls nach ähnlichem Prozedere, wie Du von Stockfisch erzählt hast.
Vielleicht macht es auch etwas aus, ob produziert von "Ben Ahrens & Hannes Wader" (manchmal andersrum) oder nur "Ben Ahrens" usw. draufsteht. Diese Nuancen habe ich nie ganz durchdrungen. Den Datensatz für Produzenten-Angaben hatte ich für dieses Projekt jedenfalls ursprünglich auch schon gefüllt (auch Tonmeister, Fotografen, Umschlaggestalter etc.), aber dann doch für /zu/ wahnsinnig erklärt und weggelassen. Könnte aber tatsächlich auch noch interessant sein, die Produzenten-Phasen aufzudröseln. Ich erinnere mich, dass Jürgen Pohlmann in Hannes' Biographie nicht gut wegkam: Und das - Du erwähntest es - kurios schlichtgehaltene "Kleine Testament" dürfte in die erste Phase nach dessen Rausschmiss fallen, produziert von Hannes allein - vielleicht kann man auch darin eine Zeit des ungewissen Übergangs herausdeuten (weltanschaulich ja sowieso).

Als Gastmusiker zum ersten Mal gehört, habe ich diese später oft als eigenständige Künstler schätzen und lieben gelernt

Von diesem Phänomen kann ich persönlich nicht so viele Lieder singen, aber zumindest ein ganz wichtiges: Hannes hab ich zum ersten Mal wiederum auf Reinhards "Narrenschiff" als Gastsänger gehört...!
Und von den Fureys, als Gäste auf "Volkssänger" kennengelernt, habe ich mir zumindest ein paar LPs gekauft...

Viele Grüße zum Wochenende
Viktor

PS: Ich hab Dir doch erzählt, dass ich Anfang des Jahres für lau aufm Konzert von Pohlmann war. Als der seine Mitmusiker vorstellte und der Cellist Hagen Kuhr hieß, klingelte direkt bei mir etwas: Der gute Mann hat nämlich auf "Sing" Cello gespielt! Konnte ich natürlich nur zuordnen, weil ich Hannes' Booklets schon intensiv durchgearbeitet hatte. Wer weiß, welche Sessionmusiker ich anderswo schon einmal gesehen habe, ohne es zu wissen...

[Viktor]

Nachtrag:

Könnte aber tatsächlich auch noch interessant sein, die Produzenten-Phasen aufzudröseln.

Na gut, was man alles mal schnell zusammenkloppen kann nachm Frühstück

Album	Produzenten-Angabe
1969: HW singt eigene Lieder	Produktion: Knut Kiesewetter
1971: Ich hatte mir noch so viel vorgenommen	Schallplatten-Produktion: Knut Kiesewetter
1972: 7 Lieder	Schallplatten-Produktion: Knut Kiesewetter
1974: Der Rattenfänger	Produzent: Jürgen Pohlmann
1974: Plattdeutsche Lieder	Produzent: Jürgen Pohlmann
1975: Volkssänger	Produzent: Jürgen Pohlmann
1976: Kleines Testament	Produzent: Hannes Wader
1977: HW singt Arbeiterlieder	Produktion: Ulrich Maske/Hannes Wader
1978: HW singt Shanties	Produktion: Hannes Wader
1979: Wieder unterwegs	Produktion: Ulrich Maske
1980: Es ist an der Zeit	Produktion: Hannes Wader; Coproduktion: Carsten Linde und Ulrich Maske
1982: Daß nichts bleibt, wie es war	Produziert von Ulrich Maske und Hannes Wader
1983: Nicht nur ich allein	Produziert von Ulrich Maske und Hannes Wader
1985: Glut am Horizont	Produziert von Detlef Petersen
1986: Liebeslieder	Produzent: Detlef Petersen
1987: Bis jetzt	Produziert von Ben Ahrens
1989: Nach Hamburg	Produziert von Detlef Petersen
1990: HW singt Volkslieder	Produzent: Detlef Petersen
1991: Nie mehr zurück	Produzent: Detlef Petersen
1995: Zehn Lieder	Produziert von Ben Ahrens und Hannes Wader
1996: Liebe, Schnaps, Tod - HW singt Bellman	Produziert von Ben Ahrens und Hannes Wader
1997: An dich hab ich gedacht - HW singt Schubert	Produziert von Hannes Wader und Ben Ahrens
1998: Auftritt	Produziert von Hannes Wader und Ben Ahrens
2001: Was für eine Nacht	Produziert von Hannes Wader und Ben Ahrens
2001: Wünsche	Produziert von Hannes Wader und Ben Ahrens
2003: Mey, Wader, Wecker - Das Konzert	Produziert von Hannes Wader und Ben Ahrens
2004: … und es wechseln die Zeiten	Produziert von Hannes Wader und Ben Ahrens
2006: Mal angenommen	Produziert von Hannes Wader und Ben Ahrens
2007: Neue Bekannte	Produziert von Hannes Wader und Ben Ahrens
2010: Kein Ende in Sicht	Produzent: Ben Ahrens
2012: Nah dran	Produziert von Hannes Wader und Ben Ahrens
2013: Old Friends in Concert	Produzent: Ben Ahrens
2015: Sing	Produziert von Hannes Wader & Ben Ahrens
2015: Live	Produktion: Ben Ahrens
2018: Macht's gut	Produktion: Hannes Wader & Ben Ahrens
2021: Poetenweg	(keine Angabe)
2022: Noch hier - Was ich noch singen wollte	Produktion: Günter Pauler

Interessanter wäre es, wenn man Querverweise zu Ton-Ingenieuren zöge, denn dann sähe man, dass spätere Produzenten vorher schon in Erscheinung traten, Günter Pauler ab 1974, Ben Ahrens ab 1982, und solcherlei Kleinigkeiten... Aber das ist etwas für irgendwann einmal

Viele Grüße
Viktor