Das Forum braucht einen neuen Chef Liebe Forumsgemeinschaft,

ich wende mich heute mit wichtigen Neuigkeiten an euch als Betreiber dieses Forums. Es fällt mir nicht leicht, diese Worte zu schreiben, aber aus persönlichen Gründe werde ich die Plattform zukünftig nicht mehr weiterführen können. Es ist mir ein Anliegen, euch darüber zu informieren und gleichzeitig nach einer Lösung zu suchen, damit das Forum weiterhin existieren kann. Spekulationen über die genauen Gründe sind unnötig, es hat überhaupt gar nichts mit dem Forum zu tun. Mehr Dementi wird es nicht geben.
Was sind die Gründe?
In den vergangenen Jahren wurde es für mich zunehmend schwierig, mich ausreichend um das Forum zu kümmern. Dies zeigt sich nicht zuletzt darin, dass meine eigenen Beiträge immer seltener geworden sind. Obwohl ich die Arbeit an diesem Forum und den Kontakt zu all unseren Besuchern stets als angenehme Erfahrung empfunden habe, sehe ich mich nun mit der Realität konfrontiert, dass ich die aktuelle Verantwortung nicht mehr tragen kann.
Wer macht weiter?
Dennoch bin ich fest davon überzeugt, dass dies nicht das Ende unseres geschätzten Forums sein muss. Daher wende ich mich nun an euch alle und frage in die Runde, ob jemand bereit wäre, die Domain und das gesamte Forum zu übernehmen. Die technische Administration kann ich leider ebenfalls nicht länger gewährleisten, daher suche ich nicht nur nach einem neuen Eigentümer, sondern auch nach jemandem, der die Aufgabe der Serveradministration übernimmt.
Zeitplan und organisatorische Fragen
Mein Zeitplan sieht vor, den "Betrieb" so schnell wie möglich an einen geeigneten Nachfolger zu übergeben. Sollte sich bis zu diesem Zeitpunkt niemand finden, und falls ich keine andere Möglichkeit zur Fortführung des Forums finde, müsste ich die Abmeldung des Dienstes und der Domain wahrscheinlich im April oder Mai 2024 durchführen. Diese Entscheidung würde damit zusammenhängen, dass zu diesem Zeitpunkt die jährlich gebuchten Dienste wie Server, SSL, Domain usw. verlängert werden müssten.

Bis zu diesem möglichen Übergabetermin werde ich selbstverständlich weiterhin die laufenden Kosten (ca. 150 €/Jahr) tragen und mich darum kümmern, dass der Nachfolger sich in das Forensystem, die Dateistruktur auf dem Server sowie die Administration des Servers einarbeiten kann. Meine volle Unterstützung und Erfahrung stehen demjenigen zur Verfügung, der bereit ist, dieses Forum in die Zukunft zu führen.
Bitte meldet euch bei mir, falls ihr Interesse an einer Übernahme habt oder weitere Fragen habt. Lasst uns gemeinsam nach einer Lösung suchen, dass diese Gemeinschaft auch in Zukunft bestehen bleibt.

Ich habe HIEReinen Forenbeitrag eröffnet, der auch für Replys offen ist...

Das Rätsel um "Le Deserteur" - Wer ist der Adressat?

Reinhard Friedrich Michael Mey (* 21. Dezember 1942 in Berlin) ist ein deutscher Musiker und seit Ende der 1960er Jahre einer der populärsten Vertreter der deutschen Liedermacher-Szene. Pseudonyme sind Frédérik Mey (in Frankreich), Alfons Yondraschek und Rainer May.
Quelle: Wikipedia mit Stand vom 20.06.2019  | Foto für Banner und Forum: Sven-Sebastian Sajak Deutsche Wikipedia 
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Reinhard Mey (* 21. Dezember 1942 in Berlin) ist ein deutscher Musiker und ein Hauptvertreter der deutschen Liedermacher-Szene. Pseudonyme sind Frédérik Mey (in Frankreich), Alfons Yondraschek und Rainer May. Mey lebt seit 1977 in Berlin-Frohnau in zweiter Ehe mit seiner Frau Hella mit der er drei Kinder hat.
Er betreibt eine offizielle Webseite unter https://www.reinhard-mey.de/  die regelmässig mit neuen Beiträgen gefüttert wird
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Das Rätsel um "Le Deserteur" - Wer ist der Adressat?

Beitrag von migoe »

Am 04.04.23 veröffentlichte Reinhard Mey in der Chronik seiner Webseite einen neuen Eintrag unter dem Betreff Le Deserteur
Screenshot_20230413_194456_Chrome-01.jpeg
Er bezieht sich auf das gleichnamige Chanson des französischen Schriftstellers und Musikers Boris Vian, der ein engagierter Kritiker der französischen Kolonialkriege der 1950er Jahre war. Der Text von Le Déseurteur wurde von Harold Berg vertont, zumindest wird das in der Wikipedia behauptet.
Die deutschsprachige Wikipedia über "Le Deserteur" Zitat:
Le déserteur ist ein Chanson, das von dem französischen Schriftsteller Boris Vian im Februar 1954 geschrieben wurde, die Melodie stammt von Harold Berg. Neben Boris Vian selbst haben zahlreiche Künstler dieses Lied gesungen, darunter Marcel Mouloudji, Serge Reggiani, Richard Anthony, Dan Bigras, Leny Escudero, Dédé Fortin, Esther Ofarim und Joan Baez. Übertragungen ins Deutsche gibt es von Gerd Semmer (gesungen unter anderem von Dieter Süverkrüp), Hans Diebstahler, Erich Aurich (gesungen unter anderem von Zupfgeigenhansel) und Wolf Biermann, der mit seiner Version von 1983 (auf dem Album Im Hamburger Federbett) Jahresbester der Liederbestenliste wurde. Franz Hohler veröffentlichte 1973 mit Der Dienschtverweigerer (auf dem Album I glaub jetz hock i ab) eine Übertragung ins Schweizerdeutsche.
Le Deserteur wurde von Boris Vian im Jahr 1954 geschrieben und handelt von einem Soldaten, der sich weigert, in den Krieg zu ziehen, weil er das Töten von Menschen ablehnt. Das Lied drückt die Ablehnung des Krieges und die individuelle Verantwortung des Einzelnen aus, eine moralische Entscheidung zu treffen, unabhängig von politischen oder militärischen Befehlen. Es wurde schnell zu einer Hymne gegen den Krieg und eine Hymne der Pazifistenbewegung in Frankreich und anderen Ländern. Das Lied war so kontrovers, dass dessen Ausstrahlung im Radio sogar von der französischen Regierung verboten wurde, die es als unpatriotisch betrachtete. Dieses Verbot galt bis zum Ende des Algerienkrieges 1962.

Das Besondere an dem Chanson ist die Kombination von melancholischen Melodien und klaren, provokativen Texten, die ein politisches und gesellschaftliches Statement darstellen. Die Bedeutung und Aktualität des Liedes hat im Laufe der Zeit nicht abgenommen, sondern ist auch heute noch relevant und inspiriert viele Menschen dazu, ihre Meinung gegen Krieg und Gewalt zu äußern.

Ist das nun Protest, oder nicht?
Obwohl dieses Chanson häufig als Protestsong und als antimilitaristisches Lied angesehen wird, hat Boris Vian laut Wikipedia den Text gerade NICHT zu diesem Zweck geschrieben. Es richtet sich ausdrücklich an Bürger und Zivilisten, die vom Staat zum "Dienst an der Waffe" aufgefordert werden und sich dagegen auflehnen und somit nicht an einem "ungerechten Krieg" teilnehmen sollen.

Die Botschaft ist: Bürger sind KEINE Soldaten! Machtbestreben und -missbrauch und Gier sind KEINE validen Gründen dafür, dass Menschen eine Waffe in die Hand nehmen und andere damit bedrohen oder sogar töten.

Es ist nach meiner Auffassung aber keine grundsätzliche Verurteilung von Soldaten oder eine fundamentale Kritik an einer Armee, die der ausschließlichen Selbstverteidigung dient (wie das z.B. aktuell in der Ukraine ist). Zugegebenerweise wünschte ich aber schon, dass sich die russischen Soldaten von dem Text "inspirieren" lassen würden...

Ehrliche und persönliche Motive der Verweigerung
Der Protagonist des Chansons schreibt dem Präsidenten seines Landes, er habe schon genug Leid und Schmerz erlebt, seit er geboren wurde, und könne dass alles nicht mehr ertragen. Er habe seinen Vater sterben sehen, seine Brüder wären im Krieg umgekommen und er weine ebenso um seine Kinder. Ihn quält der Gedanken, das seine Mutter sehr darunter gelitten hätte und sie vor lauter Kummer gestorben wäre. Außerdem erfahren wir, dass er selbst bereits als Soldat für sein Land gedient hätte und in dieser Zeit seine Frau verloren hätte.

Diese Erlebnisse vermitteln für mich nachvollziehbar, welche Motive den Deserteur im Chanson dazu bewegen, seine Mitmenschen zur Verweigerung an der Waffe aufzurufen. Er ist so überzeugt von seiner Einstellung, dass er sogar bereit wäre, auf der Straße zu leben und sein altes Leben hinter sich zu lassen. Lieber würde er betteln gehen, als noch einmal in den Kampf zu ziehen und er wäre sogar bereit, dafür sein Leben zu geben.

Eben dieses Lied präsentiert Reinhard Mey auf seiner Seite und legt dabei einen Schwerpunkt auf einen bestimmten Ausschnitt des Textes!

Reinhard Mey fordert ein Vorbild
Auf dem einzigen Cover-Album des Künstlers, welches am 06.11.2015 unter dem Titel Lieder von Freunden veröffentlicht wurde, ist auch eine Interpretation des Vian Chansons.
Spotify Playlist "Lieder von Freunden"
Anders als die bisherigen Studioalben enthält das Album eine Sammlung von 16 deutschen, französischen und englischen Aufnahmen von Kollegen, die Mey über mehrere Jahre hinweg aufgenommen hat. Die Lieder dieses Albums wurden in den Studios Teldex Berlin, im Musentempel Aachen, dem Chroma-Tonstudio und im Hawomusixx Studio produziert und sind stimmungsvoll aber zurückhaltend instrumentiert. Die Produktion trägt eindeutig die Handschrift von Manfred Leuchter, der seit Immer weiter alle Alben Meys produzierte.

In dem Beitrag seiner Chronik zitiert Mey folgende Zeilen aus dem Lied:
Auszug von "Le Deserteur" Zitat:
… s’il faut donner son sang
allez donner le vôtre,
vous êtes bon apôtre,
Monsieur le Président!
Die Aufforderung an den Präsidenten, zunächst erstmal selbst "Blut zu spenden", bevor er anderen den Befehl gibt, sich für ihn und seine Ideologie zu opfern, ist ziemlich mutig, wenn man den geschichtlichen Kontext bedenkt, und zeigt zugleich die Verbitterung des Dichters.

Der Präsident soll also ein Vorbild für die Menschen sein und selbst aktiv werden, anstatt anderen Befehle zu erteilen, die letztendlich in den Tod führen könnten. Ich kann mir gut vorstellen, dass dieser Gedanke auch heute noch vielen Menschen wie Blasphemie vorkommen muss.

Wer ist heute der Adressat?
Zur Zeit von Boris Vian war der Adressat für seinen Protest der französische Präsident René Jules Gustave Coty. René Coty spielte auch eine wichtige Rolle im Kontext des Algerienkriegs. Der Algerienkrieg (1954-1962) wurde durch den Kampf der Nationalen Befreiungsfront (FLN) für die Unabhängigkeit Algeriens ausgelöst. Frankreich hatte Algerien 1830 kolonialisiert und 1954 waren die Algerier immer noch eine unterdrückte Bevölkerung ohne politische Rechte und wirtschaftliche Gerechtigkeit. Die FLN gründete eine Guerilla-Bewegung und begann, Anschläge gegen die französische Kolonialmacht und ihre Einrichtungen in Algerien zu verüben. Frankreich reagierte mit militärischen Mitteln und sandte große Truppenkontingente in die Region, um den Aufstand niederzuschlagen. Der Krieg wurde zu einem brutalen Konflikt mit Massenverhaftungen, Folterungen und Morden, der schließlich zu einem politischen Konflikt innerhalb Frankreichs führte, bei dem die französische Regierung unter anderem unter Druck der Öffentlichkeit und der Armee schließlich gezwungen war, Algerien die Unabhängigkeit zu gewähren. In diesem Kontext muss das Lied betrachtet werden!

Wer ist wohl der Adressat für diesen Aufruf zur Weigerung zum Dienst an der Waffe im Jahr 2023? Welcher "Präsident" soll sich dadurch aufgefordert fühlen "Blut zu spenden"?

Dazu gibt es keine Antwort von Reinhard Mey in seinem Beitrag.
Eine beliebte (deutschsprachige) Interpretation des Chansons stammt aus der Feder von Erich Aurich und wurde gesungen unter anderem vom Duo Zupfgeigenhansel
Zupfgeigenhansel "Le Deserteur"
Hier erscheint normalerweise ein Video von YouTube. Bitte wende dich an einen Administrator.
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Die beiden Liedermacher Erich Schmeckenbecher und Thomas Friz gründeten das deutschsprachige Folk-Duo Zupfgeigenhansel im Jahr 1974. Sie waren in den darauffolgenden 12 Jahren sehr erfolgreich mit ihren Liedern im deutschsprachigen Raum unterwegs. Ihren letzten offiziellen Live-Auftritt hatte Zupfgeigenhansel 1986 als Überraschungsgast bei einem Pete Seegers Konzert in der Zeche Bochum

Nach mehr als 35-jähriger Trennung begannen die Musiker im Oktober 2021 mit der Erarbeitung einer Werkschau mit dem Titel Miteinander: 50 Jahre – 70 Lieder, einer 3er-CD-Box mit 4 Booklets, die zu ihrem 50-jährigen Jubiläum im Sommer 2022 erschien. Zu beziehen ist das Werk auf einer eigens eingerichteten Webseite.
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.
Liebe Grüße aus Rothenburg
migoe | www.liedermacher-forum.de | 2003-2024
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Viktor
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Das Rätsel um "Le Deserteur" - Wer ist der Adressat?

Beitrag von Viktor »

Moin migoe,

einen informativen langen Beitrag hast du da zusammengestellt, manches war mir bekannt, anderes nicht, dankeschön.

Zu einer Randnotiz möchte ich nur eines ergänzen:
migoe Zitat: Do 13. Apr 2023, 23:14
Ihren letzten offiziellen Live-Auftritt hatte Zupfgeigenhansel 1986 als Überraschungsgast bei einem Pete Seegers Konzert in der Zeche Bochum
September 2022 haben Erich & Thomas noch einmal zusammen live vor Publikum musiziert (wohl aus gesundheitlichen Gründen nun wirklich das allerletzte Mal), siehe YouTube-Clip:
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Zu deiner hauptsächlichen Frage kann ich nicht viel sagen:
migoe Zitat: Do 13. Apr 2023, 23:14
Wer ist wohl der Adressat für diesen Aufruf zur Weigerung zum Dienst an der Waffe im Jahr 2023? Welcher "Präsident" soll sich dadurch aufgefordert fühlen "Blut zu spenden"?
Ich würde vermuten, Reinhard findet die zitierten Zeilen einfach ansprechend, weil der "Präsident" metonymisch und zeitlos für die "Oberen" steht, die den Krieg zu verantworten haben, aber sich nicht selbst die Finger schmutzig machen. Hat er selbst mindestens in "Alle Soldaten ..." auch schon auf den Punkt gebracht: "Der Präsident will auf dem roten Teppich gehn, / Der Kriegsminister eines Tages sein Denkmal sehn, / Der Rüstungsbonze will, dass alle Räder rolln, / Und jeder von den dreien will, dass die Soldaten das wolln." -- Aber diese Spannung ist sicherlich sehr häufig besungen worden. Zufällig muss ich gerade auch an das Lied "B.Y.O.B." von System Of A Down denken: "Why don't presidents fight the war? / Why do they always send the poor?"

Viele Grüße
Viktor
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migoe (Do 20. Apr 2023, 16:43) • martin coulmann (So 23. Apr 2023, 15:57)
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Beitrag von migoe »

Grüßgott Viktor,
Viktor Zitat: Fr 14. Apr 2023, 10:52
Ich würde vermuten, Reinhard findet die zitierten Zeilen einfach ansprechend, weil der "Präsident" metonymisch und zeitlos für die "Oberen" steht, die den Krieg zu verantworten haben, aber sich nicht selbst die Finger schmutzig machen. Hat er selbst mindestens in "Alle Soldaten ..." auch schon auf den Punkt gebracht
vermutlich hast Du damit den Nagel auf den Kopf getroffen. Genau das macht den Text von Vian so gut und deshalb wird er sicher auch so häufig in neuen Varianten zitiert. Der ursprüngliche Text ist ja auf die spezielle Situation in Frankreich hin verfasst worden, ich denke aber, das "Le Deserteur" gerade deshalb zeitlos in dem Sinne ist, weil er beispielhaft eine allgemeine Aussage über den Krieg und die Verantwortung jedes einzelnen für seine Handlungen und Entscheidungen trifft.

In 2023 könnte der Text auf die Kriege in der Ukraine und Syrien oder auch im Jemen übertragen werden, wo Menschen gezwungen sind, in militärischen Auseinandersetzungen zu kämpfen, obwohl sie dies nicht wollen oder nicht mit den Zielen und Werten der Konfliktparteien übereinstimmen.

Natürlich ist es heute (noch) eine Utopie zu denken "Wenn niemand mehr eine Waffe in die Hand nimmt, gibt es auch keinen Krieg mehr", aber das muss ja nicht heißen, dass diese Utopie nicht erreichbar ist. Wahrscheinlich braucht es tatsächlich mehr Menschen, die so denken, wie es Boris Vian 1954 formuliere und Reinhard Mey es 2023 noch einmal fordert!
Viktor Zitat: Fr 14. Apr 2023, 10:52
September 2022 haben Erich & Thomas noch einmal zusammen live vor Publikum musiziert
Oh danke, das ging an mir vorbei
Übrigens habe ich heute erst wieder den Beitrag Mariannes vom Mai 2022 gesehen, in dem sie an den Skandal erinnerte, den der französische Rockmusiker Renaud bei seinem Auftritt 1985 in Moskau auslöste - 1985 hat Renaud in Moskau "Deserteur" gesungen mit Folgen. Ein Drittel des Publikums verließ die Veranstaltung demonstrativ, aber es waren keine zufälligen Zuschauer, sondern es handelte sich um Mitglieder der Komsomol, der Jugendorganisation der KPdSU, die angewiesen worden waren, gegen Renaud zu protestieren. Es kam auch zu heftigen Reaktionen von einigen der verbliebenen Zuschauer, die Renaud ausbuhten und beschimpften.

Was würde heute wohl passieren, wenn Renaud dieses Lied in Moskau vor zehntausenden Zuschauern spielen würde?

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Viktor
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Beitrag von Viktor »

Hallo migoe,
liebe Mitleser,

in der Zwischenzeit hat Reinhard seinen Beitrag übrigens erweitert, sowohl ein aktuelles Zitat vorangeschickt als auch eine eigene Übersetzung des Songtextes ergänzt.
„Ihr widerlichen ‚Kriegsgeneräle‘, die ihr hier sitzt und diese Männer in den Tod treibt, ihr macht mich krank!“ So die irische EU-Abgeordnete Clare Daly zu den ParlamentarierInnen in Brüssel.
Dieser Ausspruch stammt übrigens aus einem Redebeitrag vom 15. März 2023, den man sich z.B. hier  im Original anschauen kann ("You sickening war generals who sit in here and will these men to their deaths, you make me sick.")

Der Liedtext samt Strophe-für-Strophe-Übersetzung ist auf reinhard-mey.de  zu lesen. Reinhard merkt an:
Ich habe das Lied sinngemäß sehr frei übersetzt.
Viele Grüße
Viktor
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migoe (Do 20. Apr 2023, 16:43)
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Beitrag von Reino »

Ein paar Anmerkungen:

Die Melodie des Liedes stammt, anders als in Wikipedia behauptet, nicht von Harold P. Berg, sondern von Boris Vian. Berg unterstützte ihn lediglich bei der Harmonisierung.

Und die verlinkte Version von Zupfgeigenhansel ist die Übersetzung von Gerd Semmer. Ich bezweifle überdies, dass sie jemals eine andere gesungen haben.

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fille
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Beitrag von fille »

migoe Zitat: Fr 14. Apr 2023, 21:20
Was würde heute wohl passieren, wenn Renaud dieses Lied in Moskau vor zehntausenden Zuschauern spielen würde?
Bei meinem letzten Konzertbesuch bei Renaud, habe ich seine Autobiografie "Comme un enfant perdu" gekauft. Darin
ist dieser Episode ein ganzes Kapitel gewidmet. Es heißt "Moscou me rejette..." (Moskau weißt mich zurück)

Externes Bild, es gelten die Datenschutz- und Nutzungsbestimmungen der ausgewählten Seite.Quelle: https://static.fnac-static.com/multimed ... -perdu.jpg


Wie bekannt hier bekannt ist, schätze ich Renaud und seine Chansons sehr. Aber... warum hat er nicht wenigstens diese bewusste
Zeile umgeschrieben? Das heißt ja ungefähr so viel wie "wenn die Russen, diese Idioten den Planeten zerfetzen". Er wurde mit
anderen Künstlern zu diesem Festival eingeladen (Festival mondial de la jeunesse et des étudiant) und eigentlich war es schon
eine Beleidigung des Gastgeberlandes. Er konnte nicht fassen, was passiert ist. Aber am besten hätte er in diesem Fall das
Chanson ganz weggelassen.

Ich gehe allerdings davon aus, dass der durchschnittliche Festivalbesucher den Text nicht verstanden hat. Die Sache war
geplant und hat Renauds Illusionen zerstört. Er war sich sicher, dass sie ihn nur eingeladen hatten, um ihn für seine Impertinenz
zu bestrafen, ihn zu demütigen und zu verdammen. Ein Alptraum ist für ihn Wirklichkeit geworden und hat eine Depression
ausgelöst. Er hatte Angst, dass sie ihn nicht mehr aus Land lassen und wurde erst ruhiger nachdem das Flugzeug wieder ein
Paris gelandet war. Sicher eine Überreaktion.

Was würde heute passieren? Was könnte passieren? Würde sie es wagen, einen Franzosen zu einzusperren? Das kann ich mir
nicht vorstellen. Und wir würden sowieso die Wahrheit nicht erfahren.

Liebe Grüße, Marianne
There is a crack in everything
That's how the light gets in

Leonard Cohen

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