Lieber Helmut,
ich muss hier an das alte Sprichwort denken
Ich kann mir zwar Situationen und Gründe vorstellen, die es rechtfertigen, dass man seine Stimme laut und deutlich erhebt, z.B. singt Reinhard Mey in seinem Lied "Die Kinder von Izieu"
Heute hör' ich, wir soll'n das in die Geschichte einreihen,
Und es muß doch auch mal Schluß sein, endlich, nach all den Jahr'n.
Ich rede und ich singe und wenn es sein muß, werd' ich schreien,
Damit unsre Kinder erfahren, wer sie war'n:
Der Älteste war siebzehn, der Jüngste grad vier Jahre,
Von der Rampe in Birkenau in die Gaskammern geführt.
Ich werd' sie mein Leben lang sehn und bewahre
Ihre Namen in meiner Seele eingraviert.
Sie war'n voller Neugier, sie war'n voller Leben,
Die Kinder, und sie waren vierundvierzig an der Zahl.
Sie war'n genau wie ihr, sie war'n wie alle Kinder eben
Im Haus in Izieu hoch überm Rhonetal.
und in diesem Kontext ist das auch gerechtfertigt, aber so wie ich das lese, handelt es sich bei Deinem Erlebnis um ein Mißverständnis.
Natürlich kann ich Deinen Ärger nachvollziehen und auch, dass Du Dich nicht ganz ernst genommen fühlst, aber denkst Du wirklich, es verbessert sich etwas, wenn Du die Leute in einer Behörde anschreist? Meiner Erfahrung nach sind die Abläufe und Organisationsstrukturen in einer Behörde für Außenstehende nicht immer nachvollziehbar und selbst die Menschen, die dort lange arbeiten sind nicht immer über den "Workflow" korrekt informiert oder in der Lage, die Zusammenhänge vollständig zu durchschauen - aber natürlich kann ich das nur vermuten. Böse Absicht sehe ich darin aber nicht, vielmehr die immer mehr um sich greifende Verunsicherung von Mitarbeitern und Kunden (in Deinem Fall der Bürger) wegen der vielen Änderungen im Arbeitsumfeld aufgrund der Umstellung auf Digitalisierung in den Firmen und Behörden.
Wenn eine Behörde einen Bürger anschreibt, gibt sie in diesem Schreiben den Namen des Mitarbeiters an, die für dieses Anliegen der Ansprechpartner ist - war das bei Dir nicht so? Diese/n Mitarbeiter/in solltest Du kontaktieren und das Problem besprechen. Ich will hier nicht als Klugscheißer auftreten, aber so würde ich vorgehen. Solltest Du das schon versucht haben und nicht weiterkommen, dann ist das trotzdem kein Grund, die Mitarbeiterin der Behörde runter zu machen.
Ich habe jeden Tag mit verärgerten Kunden (und in den meisten Fällen hat der Kunde objektiv recht!) zu tun und oft sind es die falschen Reaktionen von Mitarbeitern, die den Kunden noch wütender werden lassen - aber trotzdem kann ich nicht verstehen und akzeptieren mit welchem Recht ein Mitarbeiter persönlich angegangen wird, weil der Kunde sich über irgendeinen Ablauf ärgert, für den der Mitarbeiter nichts kann und ihm (bzw. dem Unternehmen) im Tagesgeschäft halt ein Fehler unterlaufen ist. Ein Beispiel von vor ein paar Tagen: wir hatten einen Artikel in der Werbung, der von unserem Lieferanten letzte Woche wegen dem Feiertag (Freitag Allerheiligen in Bayern) nicht rechtzeitig geliefert werden konnte, weil der zustellende Paketdienst ganz einfach nicht rechtzeitig ausgeliefert hat. Eine Kundin wollte den Artikel kaufen und ist extra deswegen zu uns in die Filiale gekommen. Natürlich war der Ärger groß, weil der Artikel nicht vorlag. Die Kundin hat sich bei der Mitarbeiterin an der Information erstmal ausgelassen und nachdem sie mit der Reaktion der Mitarbeiterin nicht einverstanden war, wollte sie mich als Verantwortlichen sprechen. Ich selber kann das ab, wenn sich Menschen an mir abreagieren und nehme das auch niemals persönlich, aber die Art und Weise, wie die Kundin ihrem Ärger Luft gemacht hat, hat mich schon verwundert. Am Ende haben wir eine für die Kundin befriedigende Lösung gefunden und sie hat auch die Erklärung und Entschuldigung VON MIR akzeptiert, dass der Artikel nicht rechtzeitig ausgeliefert wurde - obwohl meine Mitarbeiterin DASSELBE bereits vorher gesagt hatte. Ich fand es aber unangemessen von der Kundin sich so gehen zu lassen und ihre Wut über den Fehler/nicht vorhandenen Artikel lautstark an meiner Mitarbeiterin auszulassen.
Vielleicht konnte ich verständlich machen was ich meine - deshalb lautet meine Antwort auf Deine Frage:
Helmut Zitat: ↑Mo 14. Okt 2019, 17:19Ich bin laut geworden. Muss ich mich dafür schämen?
ganz eindeutig:
ja!