Liebe Freunde !
Es ist mir endlich gelungen, mich einmal für ein paar Minuten extensiv mit dem PC zu befassen und endlich die bereits angekündigte Rezension des Albums "VIET NAM" von Hans Söllner + Bayaman´Sissdem in die Tasten zu klappern. Alsdann:
Um es hier gleich einmal vorwegzunehmen: wer an dieser Stelle so etwas wie einen harschen Verriß des letzten Söllner- Elaborates erwartet, der braucht nicht weiterzulesen, sonst wird er sicherlich etwas enttäuscht sein – für so was bin ich (als Moderator dieses Forums) vermutlich, nein, sogar ganz sicher der falsche Autor. Trotzdem (oder aber gerade deswegen) treibt es mich, die CD „VIET NAM“ hier einmal näher vorzustellen, sei es als Kaufentscheidung für den Unentschlossenen oder als Appetithappen für denjenigen, der Söllner (noch) nicht kennt und dessen Interesse ich damit eventuell wecken kann.
„VIET NAM“ ist nach „Oiwei I“ (2003) und „Im Regen“ (2005) bereits die dritte CD hintereinander, die Söllner mit seiner Band „Bayaman´Sissdem“ eingespielt hat. Ob das nun wiederum ein Hinweis darauf ist, daß sich der Künstler von seinem „Solo- Dasein“ mehr und mehr verabschiedet, entzieht sich meiner Kenntnis. Da er jedoch auch weiterhin auf Solo- Pfaden tourt, erscheint dies eher unwahrscheinlich, ist aber letztlich auch ohne Belang. Schaden jedenfalls tut die Zusammenarbeit mit dem Klangkörper der Qualität der Titel keinesfalls, zumal die Kombo eine durchaus hochwertige, musikalische Qualität an den Tag legt. Die Besetzung hat in den letzten Jahren mehrfach gewechselt, ist jedoch mindestens seit 2005 mit Hans Söllner (Bad Reichenhall) (g/voc), Manfred Puchner (Linz) (g), Dennis Rieger (Augsburg) (b), Stefan Zepfer (Augsburg) (org), Peter Pichler (München) (acc) und Stefan Hofer(Linz) (dr) stabil. (Die Erwähnung der Herkunftsorte geschieht im Hinblick auf Gitarre und Drums nicht ganz ohne einen gewissen Lokalpatriotismus, doch das nur nebenbei…) Dazu kommt auf dieser Aufnahme noch ein Bläer- Ensemble, daß von der Darbietung locker mit Peter Herbolzheimers „Pustefix- Bläsern“ aus seligen Lindenberg- Tournee- Zeiten mithalten kann. Die Band ist eine homogene Einheit, der man die Freude an der Darbietung selbst auf einem so „kalten“, so „technischen“ Medium wie einer CD anmerkt. Und daß hier nebenbei noch ein durchaus erfrischender Stil- Mix geboten wird, tut der Sache keinen Abbruch, ganz im Gegenteil: Da ertönen Reggae- Klänge neben Cajun- Melodien und auch eine erfrischende Mixtur aus Rock´n´Roll und Boogie- Woogie schmeichelt dem Ohr. Die genial gespielten Schlagzeug- Synkopen fielen bereits auf „Im Regen“ auf, lassen aber auch hier nicht lange auf sich warten. Dazu kommt die, um es vorsichtig zu sagen, ungewöhnliche Stimme Söllners: Nicht wirklich schön im eigentlichen Sinn (eine Kollegin von mir behauptet, sie bekäme von ihr Kopfschmerzen…), dennoch aber prägnant und im besten Sinne urtümlich und ehrlich. Ein anderes als eben dies Organ würde zu der Art Musik, die oft (zu Unrecht !) als „bayerischer Reggae“ simplifiziert wird, überhaupt nicht passen.
Das Repertoire ist nicht vollständig neu, eher im Gegenteil: Mit „A jeder“, „Laß flieg´n Deine Dreads“, „Landshut“ - …im Original „Er war aus Landshut (Für´n Waigl und den Papst)“… - ´, „Edeltraut“ und „Geh weida“ ist immerhin rund ein Drittel der 14 (…eigentlich 15, doch dazu später mehr…) Titel bereits aus Söllners Solo- Programm bekannt. Das jetzige Arrangement mit der Band jedoch bekommt all diesen Titeln ausnehmend gut, und so hört man letztlich doch „etwas Neues“. Aber so eindringlich, so vielsagend, so aktuell und doch gleichzeitig zeitlos, wie die bekannten Titel sind, so erscheinen auch die „neuen“ Stücke, und hier sei, allen voran, „Am Freitag gibt´s Fisch“ genannt. Bei diesem Titel wird die Schere zwischen betroffen machendem Text und unglaublich fröhlich erscheinender Musik deutlich: So unterhaltsam, wie der musikalische Rahmen daherkommt, so deprimierend und doch aufrüttelnd ist der Text, der ganze Zeitläufte in ein Korsett von gerade einmal viereinhalb Minuten preßt. In diesem Zusammenhang sei aber auch „Landshut“ erwähnt, das einem zu einer Art Stimmungs- Musik das Schicksal zweier Junkies und dessen Nachwuchs nahe bringt oder gar nahe gehen läßt. Man kann gerade dieses Stück als Plädoyer für Abtreibung, aber auch gegen die vorherrschende Drogen- Politik nehmen. Insofern gewährt Söllner jedem die Freiheit, von der er, wenngleich manchmal nur leise anklingend, immerwährend predigt und die für ihn das größte Gut überhaupt ist.
Genial sind für mein Empfinden gerade die nur sehr sparsam instrumentierten Stücke „So gern“ und „Trostlos“. Ersteres ist als Abschied an seine im letzten Jahr verstorbene Schwester zu werten und macht bei aller Trauer doch auch Hoffnung, das zweite Stück ist im Grunde auch nur dem Titel nach trostlos. Gerade hier zeigt sich auch, daß Söllner im Laufe seiner „Karriere“ zu den rudimentären Griffen auf der Gitarre doch noch das eine oder andere hinzugelernt hat und daß er heute keineswegs mehr „nur Gedichte vertont“. Dies war zum Anfang des Musikers Söllner die Intention, denn nach eigener Aussage hatte er die Schnauze von der Tatsache voll, daß die Menschen reinen Gedichten nicht, musikalischen Geschichten aber sehr wohl zuhören wollten. Und man kann es auch so sehen, wie es „der Hansi“ seinerzeit tat: Daß er in der Tradition von Bob Marley als auch Bob Dylann steht, denn immerhin konnten auch die weder überragend singen noch virtous Gitarre spielen und wurden trotzdem als ganz Große angesehen.
Das einzige Ärgernis verbirgt sich im 14., dem letzten Track auf dieser CD. Der Titel „Vorbei damit“ schleicht sich als Longplayer mit 13:44 Minuten ins Abspielgerät, dauert tatsächlich aber nur 5:04 Minuten. Und wer die entsprechende Geduld absichtlich (oder zufällig…) aufbringt, der erhält ab Minute 8:08 noch den mittlerweile obligaten „Hidden Bonus- Track“ von knapp fünfeinhalb Minuten serviert, hier in der Form der Akustik- Version des Titels „Zeugnis“, der bereits auf der CD „Im Regen“ als (siehe oben) fröhlich erscheinendes Liedchen daherkommt, das sich aber in Wirklichkeit hammerhart mit der Misere im Schulwesen befaßt und letztlich mit einem Schüler- Selbstmord endet. By the way ein Wort an alle Produzenten: Ich habe wirklich nichts gegen Zugaben in Form von Bonus- Tracks, im Gegenteil: je mehr Musik, zumal von dieser Qualität, auf einer CD aufgespielt ist, desto besser. Aber vergeßt bitte endlich diese unseligen „Hidden Tracks“, die ursprünglich ja einmal als Gag gedacht waren. (Man erinnere sich diesbezüglich nur an das „Sah ein Knab´ ein Röslein steh´n“ des sehr kindlichen Konstantin Wecker…) Und wenn schon Bonus, dann bitte auch vollwertig und mit einem eigenen Track- Marker ! So, daß mußte mal gesagt werden…
Aber zurück zum Thema und zum Fazit: „VIET NAM“ ist – zumindest für mein Empfinden – eines der besseren, wenn nicht mit das beste Album Söllners, daß den Kaufpreis auf jeden Fall lohnt und nicht nur bei eingefleischten Fans oder Sammlern im Regal stehen sollte. Auch für Söllner- Neulinge kann man diesen Silberling empfehlen, denn er macht mit Sicherheit Appetit auf mehr und läd damit dann zur „Söllner- Erkundung“ ein.
Fazit: Eine dicke 1 + !
Zum Abschluß noch die Tracklist...
01) A jeda
02) Damaskus
03) Laß flieg´n Deine Dreads
04) Am Freitag gibt´s Fisch
05) Jeden Dog
06) Nordwind
07) Landshut
08) Da geht die Dia auf
09) Edeltraut
10) Geh weida
11) So gern
12) Trostlos
13) Viet Nam
14) Vorbei damit (…Hidden Bonus- Track: Zeugnis)
...und einige Anspiel- Tips:
die Tracks 04, 07, 09 und 11.
So, und damit habe ich Euch vermutlich erfolgreich und genügend Zeit gestohlen, und wir alle können zu den "wirklich wichtigen" Dingen des Lebens zurückkehren... ...obwohl ja Nietzsche sagt, daß das Leben ohne Musik ein Irrtum wäre...
Sollte der oder die eine oder andere die CD ebenfalls kennen, würde mich seine / ihre Meinung dazu natürlich brennend interessieren. In diesem Sinne einen lieben Gruß aus von
ANDREAS.
(...der beim nochmaligen Durchlesen des obigen Textes doch ein wenig den Eindruck bekommt, er habe sich vielleicht etwas verplaudert...)