Hallo Nicole,
liebes Forum,
ein spannendes Thema. Eigentlich widerspricht es meinem Wunsch nach Anonymität und getrennten Zirkeln, irgendetwas preiszugeben, aber ich halte es mal vage
Und man lernt einander ja auch besser kennen -- ich wusste z.B. nicht, dass du, Nicole, eine Katze hast
Instagram finde ich prinzipiell eine super Idee als Plattform: Momentaufnahmen in Bildform teilen, was könnte entspannter sein? Man muss aber echt aufpassen, wem oder welchen Hashtags man folgt. Möchtegern Fitness-Influencer aus dem privaten Umfeld oder sonstige Selbstverliebte können die Übersicht wirklich zumüllen. Oder Leute, die lustige Internetsprüche hochladen statt eigene Fotos, oder politische Statements in Textform oder oder oder.
Ich selbst stellte früher gern mal einen Konzertschnappschuss oder kuriose Naturfotos oder so rein (@janviktor), aber habe es momentan einschlafen lassen.
Facebook nutze ich zum Kontakt mit Bekannten kaum noch. Alle paar Jahre gibts eine Einladung zu einem Ehemaligen-Treffen oder so, haha.
ABER: Es ist ein guter Ort, um Musikern und Künstler für die neuesten Updates zu folgen. Manchen Konzerttermin habe ich darüber zuerst erfahren. Es ist einfach besser, als dutzende separate Websites nach Neuigkeiten zu durchstöbern.
Und dann gibt es noch Gruppen. Ich habe das Gefühl,
Facebook-Gruppen haben Internetforen sterben lassen, aber ich halte sie für wesentlich schlechter geeignet für vernünftigen Austausch: Es gibt keine richtige Übersicht, alles hängt unsortiert im Äther, niemand bezieht sich je auf voriges, sondern man redet ohne Kontext wirres Zeug. So frusten mich etwa diejenigen zu Reinhard Mey oder Hannes Wader, auch wenn man alle paar Monate einen spannenden Beitrag liest oder schönes Foto sieht oder jemandem mit einer schwierigen Frage helfen kann.
Hängt aber alles auch von der Größe und Beschaffenheit der Gruppen ab. Ich bin desweiteren auch zu den Themen
US-amerikanische Stand-up Comedy und (neuerdings)
Pilzesammeln unterwegs. Die Comedy-Fans lieben bösen Humor, aber besonders freundlichen Umgang. Die Pilzesammler streiten ständig über Gruppenregeln, aber haben immenses Schwarmwissen über Pilzbestimmung und tolle Fotos.
Internetforen habe ich geliebt, aber sie sterben aus. Ich war aktiv, teilweise als Administrator/Moderator beteiligt, zu Themen wie
US-amerikanischer Punkrock (fatwreckwiki.com; thebrpage.net zur Band
Bad Religion) oder meiner deutschen Lieblingsband
Die Ärzte (kill-them-all.de), aber die Foren sterben alle aus. Am liebsten besuche ich da noch das Liedermacher-Forum hier -- und auch das ist ja, was die Beitragsdichte angeht, eher auf dem absteigenden Ast.
YouTube habe ich lange gehasst, weil es schon als quasi-Streamingdienst benutzt wurde, bevor es überhaupt für Musik vorgesehen war. Deshalb gibt es auch noch viele Karteileichen irgendwelcher Album-Songs in schlechter Tonqualität von irgendwelchen Privat-Accounts auf YouTube. Irgendwann habe ich mich damit abgefunden und auf die positiven Aspekte konzentriert.
Denn für Originalinhalte von Musikschaffenden (oder Comedians) ist es großartig.
Sogar manchen berufsmäßigen "YouTubern" kann ich etwas abgewinnen und schaue dann manchmal über den Tellerrand meiner Kerninteressen hinaus. Sehr fasziniert bin ich momentan von
Charles Berthoud , der virtuos
Bass spielt (obwohl ich kein spezieller Bass-Fan bin), oder von
Harry Mack , einem
Freestyle-Rapper, der über Videochat auf Stichworte seines Gegenübers blitzschnelle Raps improvisiert, mit teilweise komplexen Reimschemata und tollen Wortspielen (obwohl ich sonst kein Rap-Fan bin).
Selbst aktiv bin ich still und heimlich bei YouTube, indem ich einen Kanal mit "
Liedermacher-Raritäten" fülle, die mir gefallen und ich bei YouTube vermisse. Aber psssst.
Neulich habe ich mir kurz die App Jodel installiert und war recht schockiert von den grottigen Inhalten. Kennt ihr die Plattform? Es ist der GPS-Standort nötig und man sieht nur Inhalte aus seiner Umgebung. Ich wollte nach Live-Informationen zu einem Verkehrschaos recherchieren, dafür war es sehr gut geeignet. Und wenn man mal wissen will, welcher Supermarkt in der Nähe wirklich gerade frischen Meerrettich da hat, ist es bestimmt auch super.
Aber weil es anonym ist, sind das meiste Fragen von Studenten, die nicht lesen können ("Wann hat die Bibliothek geöffnet?") oder schlüpfrige Umfragen. Sehr sehr viel ist so schlecht geschrieben, dass durch falschen Ausdruck gar nicht klar wird, was die Leute meinen, von Rechtschreibung und peinlicher Jugendsprache mal ganz abgesehen. Und die Vergänglichkeit der Beiträge ist noch schlimmer als bei Facebook & Co: Alle paar Stunden fragt jemand, welcher Zahnarzt der beste ist, obwohl es theoretische eine Suchfunktion und Hashtags gäbe. Das ist eben der Geist der Zeit im Internet, habe ich das Gefühl: Ichbezogen denken, man sei der erste und einzige, also erstmal drauflos fragen. Also: Nichts für mich, wurde schnell klar. Wenn ich mal einen Supermarkt mit frischen Cranberries suche, kann ichs ja neu installieren.
Also, Fazit, ich trauere der Foren-Kultur hinterher, kann den neuen Plattformen durchaus etwas abgewinnen, aber entfalte nicht das volle Potenzial. Und ich nehme meine persönlichen Beiträge stark zurück, schreibe nirgends mehr Konzertberichte oder stelle Fotos ein. Vielleicht eines Tages wieder.
Nicole, die Fotos auf deiner Webseite sehen toll aus. Da wäre doch eigentlich Instagram das passende Medium, um interessiertes Publikum zu erreichen. Also, ich würde dir folgen
Viele Grüße
Viktor
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