Gestern Abend hatte ich wieder einmal die Gelegenheit, ein Konzert des großartigen italienischen Cantautore Pippo Pollina (Betonung auf dem o) zu besuchen. Nach einer kleinen Operation am rechten Ringfinger trug er da einen Verband und man musste sich wirklich fragen, wie er so toll musizieren konnte, da ihn dieses Handicap am E-Piano, an der Gitarre und ebenso am Tamburin behinderte. Es war das zweite Mal, dass ich sein Programm Über die Grenzen trägt uns ein Lied sah, und ich glaube, dass er etwas redseliger war als beim ersten Mal. Möglicherweise hat er ein/zwei Lieder weggequatscht, aber es gab trotzdem Musik satt und das Konzert, bei dem er von Roberto Petroli hauptsächlich an Saxophon und Klarinette begleitet wurde, endete erst nach knapp drei Stunden.
Über die Grenzen trägt uns ein Lied heißt auch Pippo Pollinas kürzlich in deutscher und italienischer Sprache erschienene Biografie. Sie war für ihn wie eine Psychotherapie, nur hat sie nicht so viel gekostet (und auch nicht so viel geschadet, wie er grinsend hinzufügte). In dem gleichnamigen Programm liest er Passagen aus dem Buch vor und zeigt private und öffentliche Filmaufnahmen künstlerischer Sationen seines Lebens. Lieder, die da gespielt werden, setzt er live mit gereifter Stimme fort. Stationen gibt es viele, aber nicht alle wurden filmisch festgehalten. Pippo Pollina ist sehr umtriebig, kaum hat er ein Projekt beendet, ist er schon mit einem neuen beschäftigt. Ich selbst habe ihn vor noch nicht allzu langer Zeit für mich entdeckt, hatte aber schon Gelegenheit, ihn beim Bardentreffen in Nürnberg zusammen mit Linnard Bardill zu erleben, ein anderes Mal trat er zusammen mit einem Damen-Streichquartett auf und nun dieser multimediale Auftritt, mit dem er aus seinem Leben erzählt.
Und 'schon' sind wir beim Thema dieses Threads. Vor zwei Jahren hatte jemand (vom Konservatorium Zürich?) die Idee, als Abschlussprojekt für die jungen Musiker eine Zusammenarbeit mit einer anderen Musikrichtung auszuprobieren. Pippo Pollina wurde gefragt, ob er Interesse hätte, an dem Experiment teilzunehmen. Nachdem er bereits mit einem akustischen Jazz-Trio und ein anderes Mal mit einer Rockband aufgetreten ist, sagte er sich 'Warum nicht?', ohne zu ahnen, worauf er sich da eingelassen hatte. Vor vielen Jahren hatte er in Palermo klassische Gitarre studiert und kannte die Ressentiments der klassischen Musik gegen jegliche andere Musikrichtung. Allerdings hatte er angenommen, dass sich das jetzt – 30 Jahre später – etwas gemildert hätte, außerdem erwartete er von den jungen Absolventen des Konservatoriums einen gewissen Grad an Offenheit.
Wer nun auch noch die Idee hatte, die Verwirklichung dieses Projektes von einem jungen Filmemacher verfolgen zu lassen, weiß ich nicht, aber dieser Idee haben wir den Film zwischenINSELN zu verdanken. Ein Film, den man meiner Meinung nach gesehen haben muss, auch wenn einem das nicht gerade leicht gemacht wird. Bislang habe ich im Internet nur den Hinweis auf zwei Kinos gefunden, wo man ihn sehen kann:
*ab Janaur im Programm in Magedburg, Kino Moritzhof
*ab Februar im Programm in Gilching, Kino Breitwand
Ich selbst habe bislang lediglich die Ausschnitte gesehen, die Pippo Pollina innerhalb seines Programms zeigt und den Trailer, den man im Internet dazu findet. Davon bin ich jedoch begeistert. Pippos Stimme hat genug Volumen, um vor einem etwa 70-köpfigen Sinfonieorchester zu bestehen und schon die Halbplayback-Vorstellung innerhalb des Konzertes war beeindruckend. Live können wir es nicht mehr erleben, aber es gibt eine CD mit dieser Musik und den Film. Aus 40 Stunden Material über die Proben und die Tournee hat der schweizer Filmemacher Maurizius Staerkle-Drux eine 64-minütige Geschichte gestrickt, wobei ich nicht weiß, worauf er den Schwerpunkt genau gelegt hat. Ich muss mich auf das berufen, was ich im Internet darüber gefunden habe. Am besten hat mir das gefallen:
Der Dokumentarfilm zur Italientournee "Fra due isole"
In 17 Tagen durch Italien. Mit Cantautore Pippo Pollina und dem Jugend Sinfonieorchester des Konservatoriums Zürich.
Der Dirigent und Komponist Massimiliano Matesic hat Pippos Lieder für ein Sinfonieorchester umgeschrieben und mit den Jugendlichen einstudiert. Diesem Projekt folgt der Film von den Proben bis zu den Aufführungen auf geschickt verwobenen Fährten.
Während die Canzoni des erfahrenen Liedermachers Pippo Pollina mit den Vorstellungen von klassischer Musik kollidieren, erleben wir als Zuschauer Annäherungen und Abgrenzungen, verschiedene und gemeinsame Sprachen, Mentalitätsunterschiede und Machtverhältnisse.
Gräben, Grenzen, leise Töne, Hingabe und Leidenschaft werden von der Kamera in diesem facettenreichen Film aufgespürt und dem Zuschauer vor Augen und Ohren geführt.
Der Film ist entstanden in Zusammenarbeit mit Christina Pollina-Roos und Sebastian Weber.
"Hervorragend ist vor allem die Kamera in diesem unterhaltsamen Dokumentarfilm, der genauer als manch anderer Film vermittelt, wie Musiker wirklich arbeiten." Züritipp
"Das Hin und Her zwischen Proben und Tournee, zwischen Interviews und Dokumentation führt eindrücklich vor, wie diese Annäherung gelang, wo sie an Grenzen stieß und was dabei in Bewegung geriet - musikalisch wie menschlich." Tages Anzeiger
"Der fein beobachtende Film zeichnet die Konzertreise ebenso nach wie die Konflikte in der Zusammenarbeit engagierter Künstler von unterschiedlichem Temperament und Alter. Dabei widersteht er der Versuchung sich rein auf die Musik zu verlassen und entdeckt seinen Zuschauern überraschende Momente jenseits des Konzertbetriebs." Zett-Magazin
(Quelle: http://riffraff.ch/kino/13023/zwischen_inseln.html )
Oder auch das:
Pippo Pollina, der sizilianische Liedermacher mit Wohnsitz Zürich, ist in der Schweiz und in Italien ein Star. Wieder mal hat sich der charismatische Künstler auf ein musikalisches Abenteuer eingelassen: Zusammen mit den rund 70 jungen Musikern des Jugendsinfonieorchesters des Konservatoriums Zürich unter der Leitung von Massimiliano Matesic begab sich Pollina auf eine Tournee durch Italien. Der musikalische Tross wurde dabei von dem jungen Filmemacher Maurizius Staerkle-Drux mit der Kamera begleitet. Der so entstandene rund einstündige Dokumentarfilm „zwischenInseln“ zeigt auf unterhaltsame Art den Zusammenprall von E- und U-Musik, da fallen bei den Proben schon mal scharfe Worte. Und manch einer der klassisch geschulten Orchestermitglieder muss seine abfällige Meinung über Popmusik nach dieser Erfahrung revidieren. MS
Quelle: http://www.zitty.de/zwischen-inseln.html
Pippo Pollina sagte, der Film liefe wohl in den Großstädten wie Berlin, Hamburg, München. Man kann sich auch schon als Interessent für die DVD eintragen lassen. Ich freue mich drauf, das scheint mir ein sehr interessantes Dokument für jeden Musikliebhaber zu sein.
Viele Grüße von Petra