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Liedermaching

Verfasst: Mo 10. Okt 2005, 15:23
von Ruediklon
So, liebe Forumsbenutzer!
Hier kommt mein erster Beitrag:
Erst mal Danke an Petra, dass sie mir hier die letzten Tage alles so nett erklärt hat, als hätte sie es mit keinem Schwachsinnigen zu tun, der ich in dieser Beziehung aber bin.
Da die meisten ganz bestimmt noch nie was von mir gehört haben: Ich bin Liedermacher. Das ist das was ich tu und wohl auch ganz gut kann. Sozusagen meine Berufsbezeichnung, wenn man so will und wenn ich davon leben würde.
Da ich hier an einem Liedermacher-Forum teilnehme, wird es viele verwundern, dass dieser Begriff nicht unbedingt hipp ist. Es war vor einiger Zeit sogar noch so unhipp, dass man für das, was man da tut, unbedingt neue Begriffe erfinden musste, um überhaupt irgendwo spielen zu können. Wir waren komplett out – jedenfalls habe ich das so erlebt. Nicht einmal die Altmeister der Szene wollten etwas mit uns zu tun haben, jedenfalls leugneten sie, dass es überhaupt so etwas wie eine neue Liedermachergeneration gibt. Ich habe ernsthaft von namhaften Liedermachern gelesen, die in Interviews bedauerten, dass es heutzutage keine Liedermacher mehr gebe und dass das heute vielleicht auch nicht mehr passen würde.
Komischerweise ist das anders geworden. Ich weiß nicht, woran das liegt, aber ich schiebe es auf eine Handvoll erfolgreicher Liedermacher, die in den letzten Jahren bekannt geworden sind. Zum Beispiel Funny van Dannen, der sich selbst anscheinend auch ein bisschen für den Begriff schämt und sich „moderner“ Liedermacher nennt oder auch Götz Widmann. Jedenfalls ist der Begriff des Liedermachers in den letzten Jahren offenbar entstaubt worden und man muss sich nicht mehr bei Veranstaltern für die Idee entschuldigen, überhaupt mit seinem Zeug irgendwo auftreten zu wollen.
Dass das bei uns – also in dem kleinen Dunstkreis, den ich beurteilen kann und der sich Liedermaching nennt – besser geworden ist, liegt auf jeden Fall daran, dass die Szene sich immer gegenseitig mit Doppel- und Dreifachkonzerten, Minitourneen, kleinen Festivals, Pennplätzen und vollen Kühlschränken unterstützt hat. Da hat jeder dem anderen seine Auftrittsmöglichkeit vermittelt oder gleich als Vorprogramm eingeladen. So konnte sich peu a peu jeder was aufbauen. Wir treffen uns einmal im Jahr auf einem Bauernhof in der Nähr von Kevelaer, um uns kennenzulernen und zusammen zu feiern und jedes Jahr werden es mehr. Natürlich sind das nicht alles nur gute Liedermacher, aber es ist unglaublich, dass ich in den ganzen Jahren, die ich teilgenommen habe, eigentlich nur famose Typen getroffen habe, mit denen man prima klar kommt. Ich glaube, dass die herausragende Eigenschaft des Liedermaching die gegenseitige Unterstützung ist und ein Publikum, das sich auch mal bei Regen zwei Tage in den Dreck setzt, um sich zu amüsieren. Wenn man viele nach ihren Vorbildern fragt, dann kommt alles mögliche von Reinhard Mey über Depeche Mode und Tom Waits bis hin zu Hip Hop oder Punk. Völlig egal. Alle können miteinander. Und jedes Jahr ziehen wieder kleine neue Grüppchen durch die Lande, die sich zusammengeschmissen haben, festgestellt haben, dass es mit mehreren einfach leichter geht. Das ist nicht neu, aber in der Konsequenz vielleicht doch.
Liedermaching hat kein eigenes Selbstverständnis im künstlerischen Sinne. Zwar haben wir ein klares Bekenntnis zur Unterhaltung, aber was gute Unterhaltung ist – das sieht wieder jeder anders. Da ist der eine vielleicht ein bisschen zu prollig für den anderen, während der wieder ersten mit seinen Jammerballaden nicht so überzeugt. Da kommt einer und macht politische Sachen, der andere bekennt sich ganz klar zur Comedy-Schiene. Die werden wohl nie ein Doppelprogramm auf die Beine stellen, aber sich sofort gegenseitig auf Festivals einladen.
Liedermaching ist vielleicht ein Lebensgefühl, aber kein Qualitätssiegel oder gar ein neuer Stil. Ein kleiner, bunter, quicklebendiger, uneitler Haufen von gescheiterten und hoffnungsvollen Existenzen, von Trinkern, Kiffern und Abstinenzlern, von Sängern und Röchlern, Büroangestellten und Punks.
Ein Produkt der Tatsache, dass es lange sehr schwer war und bestimmt auch noch ist, als Liedermacher Fuß zu fassen. Und dass diese Generation selbst von vielen etablierten Liedermachern geleugnet wurde.
Ich stelle diese Frage ganz bewusst als Frage, weil ich es wirklich nicht weiß – vielleicht irre ich mich:
Hat Reinhard Mey ein Vorprogramm? Oder Klaus Hoffmann?

Ich freue mich jedenfalls, hier im Forum so nett aufgenommen worden zu sein und sogar ein eigenes Forum zu haben und von mir aus kann die Diskussion los gehen.
Liebe Grüße
Rüdiger Bierhorst

Liedermaching

Verfasst: Mo 10. Okt 2005, 15:47
von Petra
Hallo Rüdiger,
vielen Dank, endlich mal ein Wort aus berufenem Munde. Es war mir ehrlich gesagt nicht klar, dass Ihr Euch von der Vorgänger-Generation ignoriert gefühlt habt.
Ich stelle diese Frage ganz bewusst als Frage, weil ich es wirklich nicht weiß – vielleicht irre ich mich:
Hat Reinhard Mey ein Vorprogramm? Oder Klaus Hoffmann?

Reinhard Mey ist selbst drei Stunden zu Gange, sodass sowieso manche Konzertbesucher Probleme bekommen, die einen Zug oder Bus kriegen müssen.
Bei Klaus Hoffmann weiß ich es nicht.
Aber bei einem Hannes-Wader-Konzert hat neulich Frank Bode das Vorprogramm gespielt.
Und bei Konstantin Wecker habe ich es selbst schon erlebt, dass eine Band aus Polen den Saal erstmal gerockt hat.
So viel in Kürze, ich habe gerade eine lange Mail geschrieben ;-) und bin etwas in Zeitnot.
Viele Grüße von Petra

Liedermaching

Verfasst: Mo 10. Okt 2005, 16:10
von Ruediklon
Ja, ich weiß - ich hab sie bekommen. :-)
Dass Reinhard Mey 3 Stunden spielt, ehrt ihn und ist ein überzeugendes Argument.

Liedermaching

Verfasst: Mo 10. Okt 2005, 17:31
von Petra
Inzwischen ist mir noch etwas eingefallen:
Bei einem Auftritt von Stephan Sulke in Blieskastel spielte das saarländische Liedermacher-Duo Saitenwind als Vorprogramm.
Ich gebe aber gerne zu, dass es eher überraschend ist, bei einem dieser Herren ein Vorprogramm präsentiert zu bekommen. Die Leute sind auch nicht so sehr begeistert, weil sie es nicht gewohnt sind und für etwas anderes bezahlt haben. Aber - es ist natürlich eine Chance, und Qualität wird auch sicherlich als solche erkannt.
Was sagen denn die anderen? Zum Beispiel Doro, die Klaus-Hoffman-Spezialistin? Und wie ist es bei Stoppok, bei dem würde mich ein Vorprogramm nicht unbedingt überraschen, auch wenn es keines gab, als ich im Juni bei seinem Konzert in Köln war.
Viele Grüße von Petra

Liedermaching

Verfasst: Mo 10. Okt 2005, 18:09
von Nordlicht
Hallo, Ihr Lieben !
Klaus Hoffmann tritt ja bereits so ziemlich seit Anbeginn seiner Karriere mit einer Band auf, die in der Regel aus exquisiten Solisten besteht, die sich zu einem großartigen Ganzen zusammenfügen. "Stamm- Musikanten" sind z.B. Michael Brandt und HaWo Bleich, der auch als Komponist und Arrangeur zugange ist und u.a. auf dem Reinhard Mey- Album "Farben" vertreten ist.
Das Konzert selbst läuft so ab, daß die Band ein mehr oder weniger langes Vorspiel hat, zu dessen Ende Klaus dann auf der Bühne erscheint. Insofern ist das schon ein "Vorprogramm". Extra Interpreten o.ä. sind jedoch auch bei KH- Konzerten nicht anzutreffen, zumal das Konzert- Pensum normalerweise ein ähnliches ist wie bei Herrn M. aus B.
Liebe Grüße aus OÖ,
ANDREAS.

(...der sich KH in gut 6 Wochen in Frankfurt / M. geben wird...)