Etwas verspätet 'mein' Altenhofer Liedersommer:
Kurz nach halb zehn brachen wir in Kevelaer auf. Micha musste drei Mitfahrer in Duisburg am Bahnhof abholen, ich fuhr schon mal los, um mein Auto an einem strategisch günstigen Ort abzustellen. Ich hatte für Sonntag eine Mitfahrgelegenheit von Berlin nach Dortmund, da fanden wir es günstig, das Auto irgendwo an der A 2 zu parken. Am Kamener Kreuz würden wir auf alle Fälle vorbeikommen, deshalb wollte ich es dort in der Nähe stehen lassen. Das Kamener Kreuz, ja, das kannte ich aus den Staumeldungen im Radio.
Und tatsächlich - wir gerieten in einen Stau, der uns erst nach 1 ½ Stunden wieder ausspuckte. Mein Gepäck war bereits in Michas Auto, aber glücklicherweise hatte ich mein Handy bei mir, sodass wir einen neuen Plan besprechen konnten. Ich fuhr also noch ein Stückchen weiter in Richtung Berlin bis zum nächsten Autohof, der kurz nach dem Stau auftauchte.
Von dort an saßen wir also zu fünft in Michas Auto, und bei meinen kurzen Beinen gab es keine Diskussion - mein Platz war auf der Rückbank. Wir erlebten eine äußerst kurzweilige Fahrt, weil Micha und einer unserer Mitfahrer, ein Sänger aus den Niederlanden, lustige Episoden aus ihrem Künstlerleben erzählten. Allerdings fehlte die im Stau vertrödelte Zeit natürlich an allen Ecken und Enden. Wir ließen unsere Mitfahrer in Berlin an einer U-Bahn-Station aussteigen, um uns dann schleunigst auf den Weg nach Altenhof in der Schorfheide zu machen.
Der Beginn der Veranstaltung war mit 19 Uhr angegeben, sodass Micha etwas nervös wurde, aber es war dann alles nicht so schlimm. Der Soundcheck hatte noch nicht stattgefunden, es sollte wohl doch erst um 20 Uhr anfangen. Der Bootsverleih 'Am Breten' am Werbellinsee ist ein recht idyllisches Örtchen. Unter alten Kastanien und auf der Steganlage waren Stühle, teilweise auch Tische und Bänke aufgestellt, es brannte ein großes, offenes Feuer und es wehte ein laues Lüftchen. Als wir etwas abseits Ralph Schüller mit seinem Partner entdeckten, setzten wir uns dazu. Ralph war noch nicht lange aus dem Urlaub in Südfrankreich zurück, sah sonnengebräunt und gut erholt aus.
Der Garten füllte sich langsam mit Menschen, und Ralphs Partner murrte ein bisschen über den Soundcheck im Beisein von Publikum. Die Bühne war die angeblich allerkleinste Freilichtbühne in Deutschland, 6m x 4m – oder 4m x 6m? Nein, das ist nicht egal, also 4 m breit und 6 m tief. Günter Landmann, Besitzer des Bootsverleihs und Vorsitzender des Altenhofer Kulturkreises e. V., fragte Ralph, ob sie nicht doch schon etwas früher anfangen könnten. War die Frage mit einem besorgten Blick zum Himmel verbunden, oder ging es um das pralle Programm, das abgewickelt werden sollte? Inzwischen waren die Sitzplätze knapp geworden, das Fest war gut besucht.
Ralph hatte eine Setliste erstellt, die etwa innerhalb einer halben Stunde gespielt werden konnte, und die beiden gingen auf die Bühne. Ich hatte gar nicht aufgepasst, wie Ralphs Partner hieß, habe ihn jedoch inzwischen auf seiner Homepage gefunden: Rainer Schön (Piano, Orgel, Akkordeon, Gesang, ...), genau, das war er, es war alles da – außer der Orgel… Eigentlich war Ralph mit Band angekündigt, aber der Schlagzeuger und Percussionist war nicht dabei. Ralphs Lieder haben mir in diesem Gewand sehr gut gefallen, die Begleitung von Rainer Schön passte dazu wie angegossen. Die halbe Stunde verging etwas zu schnell, die beiden beendeten ihr Programm erst nach vierzig Minuten unter herzlichem Applaus. Bevor sie die Bühne verließen, bekamen sie noch von Günter Landmann eine 'Brunhilde' überreicht. Die 'Brunhilde' gibt es jedes Jahr für alle Teilnehmer, sie sieht aber jedes Mal anders aus. – Nun gab es eine kurze Pause, weil das E-Piano von der Bühne gebracht werden musste. Ansonsten war kein großer Umbau nötig.
Als zweiter Programmpunkt war Michael Günther angekündigt, der inzwischen auf der Bühne war. 4m x 6m – kein Problem, Michael Günther und seine Gitarre hatten da allemal gut Platz. Günter Landmann erzählte, wie er ihn kennen gelernt hatte: Micha sollte für die Engerling Blues Band das Vorprogramm spielen, leider waren nur 20 Zuhörer da. Für 20 Leute spielt eine Engerling Blues Band nicht.
Aber Micha sagte zu den Gästen: 'Ihr seid da, ich bin da, da kann man doch was draus machen.' So waren die Leute nicht umsonst gekommen, und es wurde ein richtig 'geiler Abend', wie sich Günter Landmann ausdrückte. Die Einladung zum Liedersommer war dann im wahrsten Sinne des Wortes nahe liegend, denn Micha wohnt in Wandlitz, das ist gar nicht weit vom Werbellinsee entfernt. In Altenhof wiederholte Micha diesen 'geilen Abend'. Mit dem Trinkerlied weckte er zunächst mal alle auf, die nicht mehr ganz bei der Sache waren, und den Berliner im feindlichen Ausland habe ich nun schon weit weg von Berlin, in Berlin und im Umland von Berlin gehört, er kommt überall gleich gut an. Bei der knappen Zeit von 30 Minuten konnte er nicht so viel erzählen, nur zu Stille Flut hat er die ausführliche Ansage gebracht. Es war zwar so, dass in den hinteren Reihen nach Musik gerufen wurde, aber wer nah genug dran saß, ließ sich gerne von der vergnüglichen Geschichte unterhalten. Irgendwo im Internet berichten sogar zwei Besucher, dass ihnen genau diese Erzählung besonders gut gefallen hat. Welche Lieder sonst noch gesungen wurden, kann ich heute nicht mehr sagen. Die Gitarre wollte etwas gehätschelt werden, denn nachdem am Vortag die A-Saite gerissen war, hatte Micha alle drei Basssaiten neu aufgezogen, deshalb musste er immer wieder nachstimmen. Da er jedoch wusste, dass nach ihm noch Einiges auf dem Programm stand, hielt er sich ziemlich genau an die vorgegebene Zeit. Auch er bekam eine 'Brunhilde', sodass ich mir das Ding mal aus der Nähe betrachten konnte. Dieses Jahr war es eine Nixe, die einen echten Stockfisch an der Angel hatte. Sehr liebevoll gestaltet, diese Trophäe. Nachdem Micha die Bühne verlassen hatte und somit für das Publikum greifbar war, konnte er eine ganze Menge seiner CDs verkaufen. Naja, an mich nicht, ich hab sie ja schon alle.
Auch jetzt war keine große Umbaupause notwendig, denn es kam wieder ein Mann mit seiner Gitarre: Jörg 'KO' Kokott. Von ihm hatte ich noch nie gehört. Eigentlich war ich jetzt ein bisschen abgelenkt, aber als er anfing, hatte er sofort meine ungeteilte Aufmerksamkeit. Eine angenehme Stimme, der man sich nicht entziehen konnte und brillantes Gitarrenspiel fesselten die Zuhörer. Jörg Kokott hatte auch zwei Gitarrenstücke (ohne Gesang) im Programm, die problemlos vom Publikum akzeptiert wurden, der Vortrag war absolut überzeugend. Die halbe Stunde reichte ihm nicht ganz, was nicht weiter schlimm war, ich hätte ihm noch viel länger zuhören können. Zum Abschluss bekam er seine 'Brunhilde' - und ich ging ihn suchen, um ihm eine CD abzukaufen.
Vierter Programmpunkt: Ulla Meinecke mit… – nein, nicht mit Michael York, sondern mit Ingo York; und der ist - wie uns Sylvia mitgeteilt hat - ein 'Supi Bassist'. Ich will das keineswegs bezweifeln, in Altenhof hat er allerdings Gitarre gespielt - warum soll ein Basser nicht auch Gitarre spielen können? Die beiden hatten sich den Soundcheck am frühen Abend gespart, deshalb gestikulierte Ulla während ihres ersten Liedes, um dem Techniker ihre Wünsche klarzumachen. In dem erwähnten Bericht (Link s.o.), bei dem Micha so gut wegkam
, stand, dass Ulla Meinecke enttäuscht hätte. Möglich, dass diese Leute sich auf die Rockerin gefreut hatten, wir lernten jedoch eine andere Seite dieser Künstlerin kennen. Ich hatte noch nichts von ihr gehört :rotwerd: (doch, den Namen natürlich schon), hatte also keinerlei Erwartungen in eine bestimmte Richtung und ließ mich einfach nur beeindrucken. Ingos Gitarre klang irgendwie überirdisch (fand ich), beim ersten Stück fast wie eine Glocke, beim nächsten wieder ganz anders. Sicherlich war da ein kleines elektronisches Spielzeug dazwischen geschaltet. Ulla Meinecke sang keine rockigen Lieder, sondern schenkte uns eine halbe Stunde voller Poesie; mir hat es sehr gut gefallen. Nach ziemlich exakt 30 Minuten und dem Empfang der 'Brunhilde' beendeten die beiden ihren Auftritt.
So, nun gab es doch noch eine größere Umbaupause. Letzter Programmpunkt: Christian Haase mit Band, der auch bei den ersten drei Liedersommern dabei gewesen war. Und der kam wirklich mit Band! 4m x 6m und fünf Musiker, die ihre Instrumente verkabelten. Bei den ersten beiden Liedern waren sie noch zu zweit, dann kamen die anderen mit auf die Bühne und es wurde richtig eng. Aber da ging die Post ab! Das Motto des Abends war ja eigentlich ein Textstück von Gerhard Gundermann, der an Pfingsten 1996 auf dieser Bühne gestanden hatte und dessen gedacht werden sollte: “…dass Du noch singen kannst, …wir sind doch pleite!...“ (aus Wo bleiben wir) Dem wurde Christian Haase gerecht. Er sang als Erstes das Gundermann-Lied Brunhilde. Er selbst ist schlank, trägt die Haare lang wie Gundermann, eine Brille, naja, etwas moderner als die von Gundermann ist sie schon, aber irgendwie – bestimmt nicht nur zufällig – wirkte er wie Gerhard Gundermann. Sie spielten eine Mischung aus Gundermann- und Haase-Liedern. In der Band hatte es einige Umstellungen gegeben, trotzdem konnte er das Versprechen halten, das er Günter Landmann gegeben hatte: 'Die Leute werden tanzen!' Es dauerte wirklich nicht lange, bis einige Paare vor der Bühne zu tanzen begannen. Was ich in dem Gedränge auf der Bühne gar nicht gleich erkannt hatte: die Band hat eine SchlagzeugerIn, die sich – warum erwähne ich das jetzt eigentlich?
- keineswegs vor ihren männlichen Kollegen verstecken musste, im Gegenteil. Nach Haase war Schluss, deshalb konnte er auch noch eine oder zwei Zugaben spielen. Die 'Brunhilde' ging dann nicht an den Chef, sondern an ein Bandmitglied, das an diesem 18. August Geburtstag hatte.
Den Abend fand ich ganz schön überwältigend, und ich fand es kein bisschen mehr verrückt, dass ich mich zu der Fahrt hatte überreden lassen. Danke, Micha, gute Idee, gerne mal wieder.
Auch der Veranstalter war zufrieden, was will man noch mehr? Nach den obligatorischen Gesprächen und dem einen oder anderen Bierchen drückte mir Micha wieder mal seinen Autoschlüssel in die Hand. Automatik-Getriebe
- wenn man das nicht gewöhnt ist… Aber es war ja nicht das erste Mal, dass ich das Günther-Mobil chauffieren musste/durfte. Ich brachte uns heil nach Wandlitz, wo wir bald in die Betten fielen. Am nächsten Morgen mussten wir schließlich relativ früh wieder raus, weil ich mit meiner Fahrerin von der Mitfahrzentrale in Berlin am Bahnhof Zoo verabredet war.
Viele Grüße von Petra :wink2: