Falls es wen interessiert:
Am Donnerstag war es so weit - Hans Söllner kam nach Mannheim! Trotz bester Vorsätze ist es wieder mal recht spät geworden. Irgendwie legt sich immer die falsche Autobahn unter meine Räder.
Inzwischen weiß ich, dass ich bei Mutterstadt auf die A 61 hätte wechseln müssen, da ich aber Doro abholen wollte, die bei Frankenthal wohnt, bin ich halt in Richtung Frankenthal weitergefahren. Auf diese Weise vollkommen orientierungslos geworden, musste mich Doro telefonisch durch die Gegend lotsen. Ihr Mann begrüßte mich dann auch ironisch: "Na, hast Du's leicht gefunden?" Es war schon so spät, dass wir sofort los mussten. Mit ortskundiger Führung gelang es dann relativ einfach, das Capitol in Mannheim zu finden, wo sich im Foyer und auf der Straße schon eine Menge Menschen tummelten. Es war bereits 10 Minuten vor acht, Doro kümmerte sich um die Karten und ich um einen Parkplatz. Mein Problem war glücklicherweise einigermaßen schnell gelöst, da habe ich in anderen Großstädten schon manche Odysee erlebt. Jetzt also zu Fuß zurück zum Capitol, wo mich Doro erwartete. Es war kurz nach acht, als wir den Konzertsaal betraten. Zu unserer Überraschung war er bestuhlt, wir hatten mit Stehplätzen gerechnet. Der Raum war nicht allzu groß, gut gefüllt, aber nicht überfüllt, etliche Leute standen an der Rückwand. Es herrschte bereits eine gute Stimmung, man versuchte, Söllner durch Rufe und Pfiffe auf die Bühne zu locken. Im Saal wurde geraucht und Bier getrunken, auch später, während des Konzerts, wurde ständig Nachschub geholt. Wir schauten über die Reihen, während wir nach vorne gingen, und fanden tatsächlich noch zwei sehr gute freie Plätze direkt am Seitengang in der ersten und dritten Reihe. Doro setzte sich mit dem Fotoapparat nach vorne, aber auch von meinem Platz aus hatte ich freie Sicht auf die Bühne.
Kaum hatten wir uns gesetzt, erschien Hans Söllner zusammen mit vier Musikern – einem Schlagzeuger, einem Keyboarder, einem Gitarristen und einer Bassistin. Die Namen konnte ich nicht behalten, nur, dass sie aus Augsburg und Linz kommen. Obwohl ich in Freiburg Söllner-Plakate gesehen hatte, auf denen seine Haare ganz kurz geschoren waren, erkannte ich ihn an den Rasta-Locken. Sein Publikum brauchte er nicht erst zu erobern, das war bereits auf seiner Seite. Er bedauerte, dass er etwas heiser war. Er hatte einen Tag zuvor ein Interview gegeben, das in einen Streit ausgeartet war, dabei hatte er den Reporter angeschrien. "I gloab, der schreibt nix über mi", sagte er grinsend. Er entschuldigte sich schon mal für den einen oder anderen Räusperer und bat, das Rauchen a bisserl einzuschränken, "außer natürlich, Ihr raucht's was G'scheits". Breites Grinsen. Ob der Appell erfolgreich war, kann ich nicht beurteilen, denn es wurde ganz schön geraucht. Aber ich bin da ja naiv – es wird wohl "was G'scheits" gewesen sein.
Wer nun geglaubt hat, Hans Söllner würde seine Stimme schonen, hatte sich getäuscht. Das Konzert wurde mit dem Lied eröffnet, mit dem auch seine neue CD beginnt, A Drecksau is a Drecksau. Als Süddeutsche hatte ich auf einen gewissen Bonus bezüglich des Sprachverständnisses gehofft, aber der Mann hat eine derart hohe Wortfrequenz pro Minute, dass ich mich voll konzentrieren musste. Vor dem Konzert kannte ich so gut wie keines der Söllner-Lieder, aber beim Anhören der CD erkannte ich am nächsten Tag einige Titel wieder, nämlich Hoffnung, Krautmo, Freiheit und Do hob I’s troffa. Doro hat einen gewissen Vorsprung, weil sie die CD schon länger hat, vielleicht kann sie ja den einen oder anderen Titel ergänzen. Meine Erwartung, mich im Laufe der Abends in das Bayrisch einzuhören, wurde nicht erfüllt, denn mit nachlassender Konzentration verstand ich immer weniger. Es hat aber auch Spaß gemacht, nur die Reggae-Klänge auf sich wirken zu lassen und die Stimmung der Lieder einzufangen. Zu Hause im stillen Kämmerlein, habe ich viel mehr verstanden und nachdem ich jetzt die CD dreimal angehört habe, kommen mir alle Stücke bekannt vor.
Zum Wiedererkennen der Lieder aus dem Konzert, konnte ich mich nur an den Texten orientieren, denn die Musik klang für mich als Neuling immer wieder ziemlich ähnlich, und so lange ich nicht auf den Text achtete, kam es mir öfter so vor, als hätte ich das Stück kurz vorher schon mal gehört.
Auch auf seine Zwischentexte war ich sehr gespannt, und er wusste allerhand zu erzählen. Er sagte zu Beginn, er sei einmal angesprochen worden: "Du erzählst immer nur von der Polizei, von Kontrollen, Hanf und manchmal vom Onanieren. Sag mal, gibt’s für Dich keine anderen Themen?" "Und do hob i geantwort': Naaa!!" So konnten wir uns ausrechnen, was auf uns zukam. Beispielsweise bat er uns, nach dem Konzert die Polizei von ihm abzulenken, er wolle mal gerne ein Stück weit fahren, ohne vier Mal kontrolliert zu werden. Wir sollten alle mit Warnblinklicht losfahren, und wenn die Polizei nicht reagierte, sollten wir solange hinter einem Streifenwagen her fahren, bis sie endlich aufmerksam würden. Außerdem sollten wir unsere Namen und Adressen auf einen Zettel schreiben und bei der nächsten Polizeidienststelle abgeben. Und wenn die dumm gucken und fragen, was das soll, "dann sogt's einfach: Nur damit Ihr's schon mol hobt's". *g* Es sei auch gar nicht nötig, Angst zu haben, denn bei ihm ginge die Polizei ständig ein und aus, "und i bin oiwei no do".
Die Botschaft des Abends war: "Wartet auf die Langsamen!" Er bezog sein Publikum auch immer wieder mit ein mit Zurufen wie: "Ihr wisst's wer Ihr seid's, odda?" und wenn das Echo nicht laut genug war, noch einmal: "Odda?" Dass auf die Frage: "Hobt's Ihr noch a bisserl Zeit?" grenzenloser Jubel ausbricht, ist ja durchaus verständlich, aber es wurden schlichtweg alle Tiraden bejubelt, die er von sich gab, sodass ich schon mal ein mulmiges Gefühl bekam. Er selbst scheut ja auch keine Nazi-Vergleiche, und ich dachte unwillkürlich, dass es damals ähnlich gewesen sein musste, als ein kleiner Mann in eine tosende Menge schrie: "Wollt Ihr den ... (Ihr wisst schon...)?" Die eingefleischten Söllner-Fans waren aber anscheinend doch nicht ganz zufrieden, denn einer rief nach vorne: "Wie soll denn da Stimmung aufkommen, wenn der Saal bestuhlt ist?" Söllner hielt kurz inne, dann zeigte er mit einem sympathischen Grinsen die schönen Zähne und antwortete: "Ja, woaßt, i bin doher kimma und do wor'n die Stui. Es wor mir einfach zu blöd, sie rauszuschoffa." Aber danach standen die Ersten auf und fingen an, sich zu der rhythmischen Musik zu bewegen. Kurz danach begann sich der Raum zwischen der 1. Reihe und der Bühne mit klatschenden und tanzenden Menschen zu füllen, allen voran eine ältere, grauhaarige Dame. Hätte ich die auf der Straße getroffen, wäre ich nie auf die Idee gekommen, dass es sich um einen Söllner-Fan handeln könnte. So langsam fragte ich mich, ob es nicht mal Zeit für eine Pause sei. Ein Blick auf die Uhr zeigte mir: halb zehn!! Noch eine gute Viertelstunde, und das Konzert war zu Ende. Die Musiker verließen die Bühne.
Das Publikum musste nicht lange klatschen und pfeifen, da kamen sie auch schon wieder zurück. Die erste Zugabe war der berühmte Marihuana-Baam. Es folgten u. a. das Titellied der neuen CD Oiwei I, auch I sig a Grea und ein Lied, das wohl heißen mag Lieber God, heit muss i di amol lob'n, in dem er für alles Mögliche dankt, auch für seinen "knackigen Orsch".
Im Zugabenteil gab es auch gefühlvolle, langsame Lieder, die ich trotz der späten Stunde wieder ganz gut verstehen konnte. Die Zugabe dauerte sage und schreibe 55 Minuten!!! Sacklzement, der Mann hat sein Publikum von kurz nach acht bis fast Viertel vor elf quasi ohne Pause in Atem gehalten. Reschpekt! Aber nun wurde das Licht auf der Bühne gelöscht und man spürte eindeutig: Das war's. Den Feierabend hat er sich aber auch redlich verdient. Und wir, die während des Konzerts nichts getrunken hatten, schauten jetzt in die Röhre, denn der Ausschank war beendet. Nur am CD-Stand gab es noch Gedränge.
Für uns folgte in der Großstadt Mannheim die Suche nach einer Tankstelle, die nachts geöffnet hat, die Rückfahrt zu Doro, nächtliches Quatschen bis um halb zwei und für mich noch die Heimfahrt nach Pirmasens. – Hat Bayrisch wirklich so viele "i"s? Mir scheint, mein Bedarf an "i"s ist für die nächsten zwei Jahre gedeckt.
Liebe Grüße von Petra