StraMu Dresden, nächste Runde:
Neues Jahr, neue Diskussionen um Straßenmusik in Dresden.
Bisher hatte ich aufgrund der Verordnungen der Stadt noch keine Lust, in Dresden Straßenmusik zu machen. Ich habe es mir immer schon mal vorgenommen, aber auch die neuen Ideen wecken nicht unbedingt meine Motivation, hier zu spielen.
Die Diskussionen um Straßenmusik in Dresden gehen weiter, hauptsächlich deshalb, weil eine Formation im Rahmen der bisherigen Bestimmungen so penetrant agiert und musiziert hat, daß das - auch aus meiner Sicht als Straßenmusiker - nicht lange toleriert werden konnte.
Es ist immer wieder das alte Lied: zu lasche Regeln werden von manchen Straßenmusikformationen schamlos ausgenutzt zum Ärger von Anwohnern und Geschäftebetreibern, zu strenge Regeln halten Gelegenheitsstraßenmusiker wie mich davon ab, sich mit der Bürokratie auseinanderzusetzen.
Jede Kommune stellt eigene Regeln auf - mitunter äußerst abstruse. In München muß man auf dem Amt vorsingen, und dann entscheidet genau eine Person, ob man eine Zulassung erhält oder nicht. Also reine Willkür.
In Mainz heißt es laut Verordnung vom 1.12.2008 folgendermaßen (man achte hauptsächlich auf die ersten beiden Punkte):
"1.Die Darbietung von Straßenmusik wird in folgenden innerstädtischen Fußgängerzonen unter Beachtung der in dieser Allgemeinverfügung geregelten Anforderungen allgemein zugelassen:
Spielzone 1: Schusterstraße, Am Brand, Rebstockplatz, Höfchen, Markt, Liebfrauenplatz, Fischtorstraße, Leichhof, Augustinerstraße vom Leichhof bis zur Kartäuserstraße
Spielzone 2: Ludwigstraße, Gutenbergplatz, Schillerplatz, Ballplatz, Bischofsplatz, Stadthausstraße, Pfandhausstraße, Steingasse, Lotharstraße, Neubrunnenplatz, Seppel-Glückert-Passage, Betzelsstraße, Franziskanerstraße
Auf der Rückseite dieses Merkblattes finden Sie einen Plan, aus dem Sie ersehen können, wo sich die Zonen 1 und 2 befinden.
2. Straßenmusik ist nur werktags erlaubt.
In den Jahren mit gerader Endziffer (2004, 2006 etc.) ist Straßenmusik werktags erlaubt in der Spielzone 1 nur vormittags (11:00 Uhr bis 13:00 Uhr), in der Spielzone 2 nur nachmittags (16:00 Uhr bis 18:00 Uhr) bzw. samstags nachmittags (14:00 Uhr bis 16:00 Uhr)
In den Jahren mit ungerader Endziffer (2005, 2007 etc.) ist Straßenmusik werktags erlaubt in der Spielzone 1 nur nachmittags (16:00 Uhr bis 18:00 Uhr) bzw. samstags nachmittags (14:00 Uhr bis 16:00 Uhr) in der Spielzone 2 nur vormittags (11:00 Uhr bis 13:00 Uhr)
3. Im Bereich und bis zu einem Abstand von 100 m von Sonderveranstaltungen (Messen, Märkte, z.B. Wochen- und Weihnachtsmarkt, Volksfeste usw.), die in den genannten Spielzonen stattfinden, ist Straßenmusik nicht zugelassen.
4. Die Straßenmusik darf längstens 30 Minuten von demselben Standplatz aus dargeboten werden. Der Standort muss danach um mindestens 100 m verlagert und darf innerhalb eines Tages nicht wiederholt genutzt werden.
5. Der Einsatz von Blechblasinstrumenten oder ähnlich lauten Instrumenten ist bis zu einer Gruppenstärke von max. 4 Personen erlaubt.
6. Der Einsatz von Verstärkern und von elektronisch verstärkten Instrumenten ist unzulässig, es sei denn er dient zur Untermalung unverstärkter Instrumente und übersteigt deren Lautstärke nicht. "
[Quelle: Stadt Mainz]
„Mainz, wie es singt und lacht“ – fällt mir dazu nur ein…
Die Punkte 3. – 6. sind aus meiner Sicht ja in Ordnung, aber 1. und 2. erinnern mich an den Film "Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug" mit dem Dialog über das Parken in den roten und weißen Parkflächen. Wer es (noch) nicht (mehr) kennt: Unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug.
Ich hatte in Mainz keine Böcke zu musizieren, oder, um es mal etwas arrogant auszudrücken: die Stadt verdient mich nicht
. Vielleicht dienen solche Regelungen aber nur dazu, Nicht-Profis wie mich davor abzuschrecken, in der Stadt zu spielen. Wer weiß das schon so genau?
In Dresden sind nach wie vor Verstärker gestattet, und die Anzahl der Musiker einer Formation ist auch nicht begrenzt. Daß an diesen Schrauben in der Vergangenheit nicht gedreht wurde, habe ich nie verstanden. Laut Artikel vom 13.2.2017 (bemerkenswerterweise am Jahrestag der Zerstörung der Altstadt Dresdens durch Bombenangriffe im 2. Weltkrieg) in der Sächsischen Zeitung soll es zukünftig eine App (!) geben, um sich für Straßenmusik anzumelden. Das Ziel: „Ziel der Vorlage sei, die Auftrittsorte so zu sortieren, dass Anlieger und Händler sich nicht gestört fühlen, die Musiker aber trotzdem spielen können.“ ist zwar gut gemeint, aber ich frage mich, was Leute machen, für die Dresden nur eine Zwischenstation auf ihrer Tour ist oder die eventuell kein Smartphone haben. Wer will sich als Gast denn solche Umstände machen ? Muß das wirklich so kompliziert sein, wenn man spontan mal auf der Straße spielen will ?
Ich habe, wenn ich eine StraMu-Tour mache, immer versucht, mir im Vorfeld Auskünfte von Ordnungsämtern in den jeweiligen Spielorten zu besorgen. Manchmal brauchte ich Genehmigungen, die ich mir auf dem Amt morgens hätte abholen können. Aber wenn ich erst nachmittags oder samstags im Ort ankomme: was soll ich dann machen? Ich habe solche Orte prinzipiell ausgelassen. Das war es mir nicht wert, mich mit sowas rumzuschlagen.
Und wenn es anderen Straßenmusikern auf Tour ähnlich ergeht, und sie entsprechend konsequent handeln, aber auch die Verordnungen der jeweiligen Städte respektieren wollen, geht den Städten nämlich genau die so oft beschworene Vielfalt der Straßenkunst zur Belebung der Innenstädte verloren, weil nämlich immer nur dieselben Formationen in denselben Städten spielen und es Gastmusikern zu kompliziert gemacht wird und ihnen bei den jeweiligen Bedingungen schnell die Lust am Spielen abhanden kommt.
Warum gibt es so viele Instanzen, die das Leben unnötig kompliziert machen ?
Es geht einfacher, zum Beispiel mit folgenden Vorgaben:
- Straßenmusik werktags 10-13 und 15-19 Uhr jeweils für 40 Minuten ab der vollen Stunde.
- Wechsel des Standortes nach jeder 40-minütigen Darbietung, mindestens 150m Abstand zum vorherigen Standort.
- Maximal 3 Personen pro Formation
- elektrische Verstärker sind nicht zulässig
Ob die Standorte nun beliebig wählbar sind oder von der Stadt vorgegeben werden sollten, sollte schon der Entscheidungsgewalt der Kommune unterliegen. Manche Städte, wie zum Beispiel Heidelberg, geben ein paar feste Spielorte vor. Da kann es natürlich passieren, daß sich mehrere Formationen um begehrte Standorte streiten. Bei festen Standorten besteht dann immer wieder die Gefahr, daß die Spontaneität verloren geht, weil es einer vorherigen Organisation bedarf.
Einmal mehr komme ich nicht umhin, das Konzept der Stadt Borken lobend zu erwähnen. Dort haben sich ein paar engagierte Menschen zusammengefunden, mit Anwohnern und Händlern gesprochen, Sponsoren gesucht und gefunden, und seit einigen Jahren die „Stadtmusik Borken“ auf die Beine gestellt. Sie organisieren an vielen Wochenenden in der Straßenmusiksaison freitags und samstags Straßenmusik, wo inzwischen Formationen aus ganz Deutschland und über dessen Grenzen hinaus anreisen.
Es gibt immer wieder gute Ideen und Umsetzungen, wie mit Straßenmusik umgegangen werden kann, aber oftmals habe ich den Eindruck, daß Kommunen mit den damit einhergehenden Fragen überfordert sind.
Klar, als Straßenmusikant will man auch mal spontan und während der Woche spielen, und in Großstädten lässt sich so ein Format wie in Borken sicher nicht so leicht auf die Beine stellen, aber aus meiner Sicht gibt es genug Beispiele, wo mit einfachen Verordnungen die Straßenmusik geregelt ist, so daß es für alle Beteiligten ein guter Kompromiss ist. Ganz ohne Regeln scheint es nicht zu klappen, sonst herrscht Anarchie wie bisher zum Beispiel in Galway in Irland, wo gefühlt alle 50m irgendein Straßenmusiker mit Verstärker mehr oder weniger Musik machte. Seit letztem Jahr wird auch in Galway diskutiert, Regeln einzuführen. Etwas schade ist das schon, wenn Toleranz und Rücksichtnahme aller Beteiligten nicht ausreichen, um miteinander auszukommen. Aber aus meiner Sicht gibt es auch gute Kompromisse, die keine jahrelangen vorausgehenden Diskussionen brauchen und dann in abstruse Beschlüsse münden.
Gruß Georg :georg: