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Was unterscheidet das Liedermachergenre vom Schlager?

Verfasst: Mi 29. Okt 2003, 18:47
von Gast
Liebe Liedermacherfreunde,
wer im Foren-Lexikon unter dem Begriff Liedermacher nachschaut, wird folgende Definition finden:
"Sänger, die selbst Text und Musik eines Stückes schreiben, es meist allein interpretieren und sich in ihrer Gestaltung sowohl vom Schlager als auch dem anspruchsvolleren Kunstlied absetzen wollen..."

Diese Definition möchte ich mit zwei Textzitaten in Frage stellen. Exemplarisch habe ich je einen Text aus dem Liedermacher- und einen aus dem Schlagergenre ausgesucht! (Ich habe durch meine Eltern ein unauslöschliches Schlagerwissen aus den 70er Jahren :-D )
"Mein Freund der Baum ist tot,
er fiel im frühen Morgenrot.
Du fielst heut früh, ich kam zu spät,
du wirst dich nie im Wind mehr wiegen,
du mußt gefällt am Wege liegen,
und mancher, der vorüber geht,
der achtet nicht den Rest von Leben
und reißt an Deinen grünen Zweigen,
die sterbend sich zur Erde neigen.
Wer wird mir nun die Ruhe geben,
die ich in Deinem Schatten fand?
Mein bester Freund ist mir verloren,
der mit der Kindheit mich verband..."

"Nun, Freunde, lasst es mich einmal sagen:
Gut, wieder hier zu sein, gut, euch zu sehn.
Mit meinen Wünschen, mit meinen Fragen
fühl ich mich nicht allein, gut, euch zu sehn.
Wer daran glaubt, alle Gefahren
nur auf sich selbst gestellt zu überstehn,
muß einsam werden und mit den Jahren
auch an sich selbst zugrunde gehn.
Nun, Freunde, lasst es mich einmal sagen: ...
Und soll mein Denken zu etwas taugen
und sich nicht nur im Kreise drehn,
will ich versuchen, mit euren Augen
die Wirklichkeit klarer zu sehn.
Nun, Freunde, lasst es mich einmal sagen: ..."

Dann bin ich mal auf eure Argumentation gespannt...
Grüße aus Jena,
Bianca
P.S. Ideen für weitere (provokative) Fragen? Mailt mir!! :-)

Was unterscheidet das Liedermachergenre vom Schlager?

Verfasst: Mi 29. Okt 2003, 21:25
von Piet
Hallo Bianca,
mit Definitionen ist es immer so eine Sache. Sie klopfen etwas fest, und die Wirklichkeit passt nicht immer haargenau in diese Definition.
Trotzdem würde ich bei Deinem konkreten Beispiel sagen:
Dieses Beispiel bestätigt die Definition!!
Du hast schöne Texte ausgewählt. Und den Text aus dem Schlagergenre würde man dort nicht vermuten. Das hat mich dazu veranlaßt, mir die Texte von dieser Sängerin mal näher anzusehen. Da sind schöne Texte dabei. Die Musik von einigen Liedern klingt immer noch in meinen Ohren.
Bei der Durchsicht von 69 Liedern dieser Schlagersängerin, gibt es nur fünf Lieder, von denen der Text UND die Musik von ihr stammen.
Ich möchte das nicht als Wertung für diese Sängerin verstanden wissen. Aber das unterscheidet sie nach der oben zitierten Definition von den Liedermachern/Songwritern/Chansoniers
Ich für mich kann sagen, das mich auch viele verschiedene Schlager immer wieder berührt haben. Das waren aber dann einzelne Lieder von einzelnen Sängern. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, mir von diesen Sängerinnen/Sängern eine LP/CD zu kaufen.
Auf jeden Fall ein tolles Beispiel!
Grüße
Piet

Was unterscheidet das Liedermachergenre vom Schlager?

Verfasst: Mi 29. Okt 2003, 21:31
von migoe
Hallo Bianca,
ich verstehe die Frage nicht genau - aus welchem Grunde hast Du die beiden Texte hier gegenübergestellt? Warum gerade diese Texte und von welchen Autoren/Sängern sind sie - den zweiten Text kenne ich natürlich, aber ich erkenne keinen sinnvollen Zusammenhang.
Ein Liedermacher ist dadurch spezifiziert, daß er/sie die Melodien und Texte seiner Lieder meist selbst komponiert und in einer ihm/ihr eigenen Art selbst vorträgt - das kann mit oder ohne Instrument/Band sein. Die Identifikation des Liedermachers mit seinen Liedern ist sehr groß - deshalb sind die Anhänger von Liedermachern auch meist sehr treu...wenn sie Gefallen finden an den Liedern (vor allem den Aussagen der Texte!), dann wird der Werdegang des Liedermachers über Jahrzehnte verfolgt...
Demgegenüber steht der Schlagersänger bzw. die -sängerin, die i.d.R. nicht selbst die Autoren der Melodien und Texte sind sondern nur als "Sprachrohr" gelten. Meist sind nur Künstler mit besonders starker Ausstrahlung erfolgreich - die Inhalte der Lieder sind aber nicht ausschlaggebend für den Erfolg, vielmehr spielt die "Verpackung" (Melodie) eine große Rolle. Werden solche Künstler vom Verlag/Manager nicht mehr ausreichend unterstützt verliert die Öffentlichkeit oft sehr schnell das Interesse an ihnen und der Musik - bekannte Ausnahmen bestätigen die Regel.
Dazwischen gibt es natürlich viele Mischformen. Künstler, die sich selber als Schlagersänger sehen, aber prinzipiell auch als Liedermacher gelten könnten: z.B. Udo Jürgens...
Entscheidend ist auf jeden Fall, der Künstler, der hier auf dieser Seite als Liedermacher gehandelt werden will, muß Autor, Komponist und Sänger der eigenen Lieder in Personalunion sein! :-D
Bei einer Diskussionen über Liedermacher oder nicht, Schlagersänger/in oder nicht sollte aber niemals der Fehler gemacht werden das eine oder andere qualitativ ÜBER das jeweilige andere Genre zu stellen. Eine Daseinsberechtigung haben aus meiner Sicht alle künstlerischen Ausdrucksformen - entscheidend für den Erfolg eines Liedes ist meiner Meinung nach immer, daß der Gesamteindruck anspricht und es eine Art "Einzigartigkeit" besitzt. Die Tatsache, daß hier auf diesem Forum einige Künstler wahrscheinlich nie eine Nische eingerichtet bekommen werden sollte nicht als negative Wertung betrachtet werden.
migoe, der hoffentlich nicht oberlehrerhaft rübergekommen ist

Was unterscheidet das Liedermachergenre vom Schlager?

Verfasst: Mi 29. Okt 2003, 22:16
von Maren
Hallo Bianca.
Ich denke, mit der Einsortierung von Alexandra hast Du ihr sehr unrecht getan. Leider gab es damals das Genre "Liedermacher/in" noch nicht. Aber es hätte ihr gut zu Gesicht gestanden. Vielleicht wäre dann auch ihre Zerrissenheit nicht so gewaltig gewesen?? Wer weiß?
Schlager sind für mich eher so Sachen wie "Zwei kleine Italiener" um in der von Dir vorgegebenen Zeit zu bleiben oder "Ich vermiss Dich wie die Hölle" aus neuerer Zeit.
Die Liedermacherei unterscheidet sich für mich vom Schlager dadurch, daß die Texte sich halt nicht so schnell erschließen, daß sie bissiger oder hintergründiger daherkommen. Naja, so ungefähr.
Was die Umsetzung in Musik anbelangt, gibt es auch bei Liedermachern durchaus einige, die sich durchaus auch in der Schlagerschublade wiederfinden könnten. So manches Mal habe ich schon gedacht: Kitsch as Kitsch can!! Gut, daß es da dann noch den Text gibt.
Soviel erstmal zu einer provokanten aber erfrischend belebenden Frage;-)
Maren

Was unterscheidet das Liedermachergenre vom Schlager?

Verfasst: Mi 29. Okt 2003, 22:50
von dabblju
Hallo Bianca,
mit Deinen beiden Zitaten habe ich ein Problem. Keiner der beiden Texte gehören zum Genre Schlager (Duden: "Tanzlied, das in Mode ist, etwas das sich gut verkauft, grossen Erfolg hat") .
Dein Zitat 1: Das ist der Text von Alexandras "Mein Freund der Baum". Alexandra hat diesen Titel 1968 geschrieben und auch interpretiert. Aber wer sprach schon 1968 in der Zeit der Beatles, Stones, Flower-Power etc. in Deutschland von "Liedermachern"?! Ich zähle sie durchaus zu Liedermachern und zwar zu einer interessanten der 60er Jahre.
Hier trifft doch die Definition zu: ""Sänger, die selbst Text und Musik eines Stückes schreiben, es meist allein interpretieren und sich in ihrer Gestaltung sowohl vom Schlager als auch dem anspruchsvolleren Kunstlied absetzen wollen..."
Dein Zitat 2: Interpretiert von Hannes Wader und Konstantin Wecker. Beide ohne Zweifel zwei der grössten in der Liedermacherszene. Hat nur einen kleinen Haken, der Originaltext und Musik ist von A.Taylor. Hannes Wader hat diesen Song nur übersetzt.
Also ganz spitzfindig gesagt Singer/Songwriter für A.Taylor und Liedermacher für Hannes Wader.
Streng genommen trifft bei diesem hochkarätigen Liedermacher oben genanntes Zitat nur bedingt zu.
Das Wort Liedermacher sagt ja aus, der Sänger hat dieses Lied auch gemacht. Wie singt Reinhard Mey so schön: "Ein Stück Musik von Hand gemacht".
Der Begriff Singer/Songwriter oder Liedermacher hat historisch betrachtet keine Geschichte. Die Plattenindustrie brachte die Bezeichnung Ende der 60er Jahre für die Bob Dylan Nachkommen ins Spiel und schuf damit ein werbeträchtiges Image das bis heute Gültigkeit hat.
Ich persönlich betrachte zum Beispiel auch Peter Maffay durchaus als Liedermacher der heutigen Zeit. Was er aber nicht immer war. Die in den späten 60er und Mitte der 70er Jahre veröffentlichten Titel gehörten ohne Zweifel zum Genre Schlager oder "Schnulzen".
Die Schlagerliste ist unendlich lang. Kurz dagegen - aber umso interessanter - die Liste des
anspruchsvollen Songs, der wirklichen Liedermacher. Gott sei Dank ist das so, stell Dir mal vor alle Menschen hätten den gleichen Geschmack. Und oh Greuel, man müsste sich in einem Forum der "Volkstümlichen Hitparade" treffen!
Ich glaube hier muss jeder selber entscheiden, was er persönlich vom Liedermachergenre und vom Schlager unterscheidet. Oftmals ist der Übergang fliessend und kaum endgültig zu definieren.
Fest steht für mich aber, dass der Interpret, der auch der Urheber von Text und Noten ist, zum Genre Liedermacher gehört. Ein "Stenchen" aber mit einem Liedchen von Anna Fragmichnicht mit einem Text von Egon Sowiso mit Sicherheit zum Genre Schlager gehört.
Soweit meine Gedanken dazu.
Gruss aus Augsburg,
Wolfram

Was unterscheidet das Liedermachergenre vom Schlager?

Verfasst: Do 30. Okt 2003, 12:05
von Gast
Hallo Piet, Migoe, Maren und Dabblju,
schön, dass ihr mitdiskutiert!! :-D
Aus euren Beiträgen lese ich, dass ihr alle mit dem ersten Teil der Liedermacher-Definition einverstanden seid; dem schließe ich mich an! Ich bin der Meinung, dass das die einzige objektive Definition ist, die man über das Liedermachergenre treffen kann.
Nun frage ich mich aber, was die Abgrenzung vom Schlager und Kunstlied in der Definition zu suchen hat und ich glaube, das liegt an der Vermischung verschiedener Dinge.
Wenn man sich dadurch unterscheidet, dass Text und Musik (größtenteils) aus eigener Feder stammen und man auch selbst vorträgt, dann trifft das auf den Schlager vielleicht zu (Udo Jürgens oder Peter Maffay sind zwei von euch genannte Beispiele, die es wiederum relativieren). Dann verstehe ich aber nicht, warum das Kunstlied bei der Definition auch genannt wird, denn laut Lexikon ist das Kunstlied:
Ein Lied, das von einem bestimmten Künstler geschaffen wird, im Unterschied zum anonym entstandenen Volkslied.

Aus der "Empörung" Marens, Alexandra sei Unrecht getan, wenn man sie in den Bereich Schlager einordnet oder auch deine Äußerung, Dabblju, es gäbe "eine Liste des anspruchsvollen Song, der wirklichen Liedermacher", entnehme ich, dass es euch bei der Einordnung von Liedern in das Genre auch um Qualität geht. Nun bin ich der Meinung, dass die Definition vom Liedermacher erst einmal gar nichts mit Qualität zu tun hat. (im Übrigen war das Lied: "Mein Freund der Baum" in den siebziger Jahren nach Definition durchaus ein Schlager! :-) )
Migoe hatte schon recht, als er meinte, meine Frage nicht genau zu verstehen, denn im Grunde kann man einen Text oder auch ein Stück nicht dem Schlager- oder Liedermachergenre zuordnen.
In meinem Lexikon steht diese Passage über den Schlager und das Kunstlied nicht. Ich finde die Definition von dir, Migoe, gut gelungen:
Ein Liedermacher ist dadurch spezifiziert, daß er/sie die Melodien und Texte seiner Lieder meist selbst komponiert und in einer ihm/ihr eigenen Art selbst vorträgt - das kann mit oder ohne Instrument/Band sein. Die Identifikation des Liedermachers mit seinen Liedern ist sehr groß - deshalb sind die Anhänger von Liedermachern auch meist sehr treu...wenn sie Gefallen finden an den Liedern (vor allem den Aussagen der Texte!), dann wird der Werdegang des Liedermachers über Jahrzehnte verfolgt...

Eine Definition, die das Liedermachergenre qualitativ zwischen Schlager und Kunstlied ansiedelt, schränkt die Vielfalt und Möglichkeiten des Genres ein. (Und wo ist dann die Abgrenzung zum Hipphopp, Jazz, Folk, Rock, Pop, Heavymetal...?) Schon innerhalb des Genres gibt es eine Vielfalt von unterschiedlichen Audrucksmöglichkeiten, die man, wie ich finde, pflegen und ausbauen sollte.
Bianca

Was unterscheidet das Liedermachergenre vom Schlager?

Verfasst: Do 30. Okt 2003, 18:23
von Marc
Hallo zusammen!
So viele Liedermacher es gibt, so viele Interpretationen und Definitionen gibt es wohl auch für diesen Begriff.
Wusstet ihr zum Beispiel, dass der Ausdruck Liedermacher eine Wortschöpfung von Wolf Biermann ist? Er leitete den "Liedermacher" von dem "Stückeschreiber" Bertolt Brecht ab! Diese Info habe ich aus einem Lexikon entnommen. Außerdem erfährt man aus meiner Quelle:
Der inhaltlich diffuse Begriff „Liedermacher" stammt aus der deutschen Protestbewegung der sechziger Jahre. Er bezeichnet jemanden, der von ihm verfasste Lieder (meist auf Gitarre oder Klavier begleitet) selbst vorträgt. In der Regel vertritt ein Liedermacher ein Anliegen.

Dass der Begriff recht verschwommen ist, haben wir hier im Forum schon an anderer Stelle feststellen müssen -Ich erinnere mich zum Beispiel an unsere Diskussion über das "Schubladendenken"!
Unlängst habe ich irgendwo aufgeschnappt, dass Konstantin Wecker eher distanziert dem Begriff Liedermacher gegenübersteht und auch Reinhard Mey sich gern als Chansonnier bezeichnet.
Generell stimme ich mit den verschiedensten Lexika überein, dass ein Liedermacher ehrlich ist, oft politisch und im Gegensatz zum Pop- oder Schlagersänger nicht kommerziell ausgerichtet ist -Was in der heutigen Musikszene vielleicht schwerer glaubhaft ist, als in den 60ern.
Ich habe es an anderer Stelle im Forum schon mal getan, mache es in dieser Diskussion aber noch ein mal: Ich zitiere nämlich Reinhard Mey in einem Brief an die Deutschen Phono-Akademie, als er 1999 für den „Echo Pop“ in der Schublade "Künstler deutschsprachiger Schlager" nominiert wurde. Ich finde nach wie vor, dass der Brief sehr aufschlussreich für dieses Thema ist!
Schon mal viele Grüße von Marc
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde,
verblüfft habe ich heute aus dem „Musikmarkt“ erfahren, dass ich für den Echo Pop 1999 nominiert bin und zwar – es sträubt sich die Tastatur – in der Sparte „Künstler „deutschsprachiger Schlager“!
Solange ich hören kann, habe ich nach Auswegen aus dem Elend des deutschen Schlagers gesucht, dessen ewig gestriges internationalen Musiktrends Hinterherhinken und dessen peinliche Anspruchslosigkeit Schuld daran sind, dass deutsche Unterhaltungsmusik bei unseren Nachbarn und in der Welt – wenn überhaupt - mit Spott und mitleidigem Lächeln bemerkt sind. Solange ich denken kann, hat es mich nach sinnvolleren Texten gedürstet, habe ich mich nach einer anderen Musik gesehnt. Aus dieser Sehnsucht heraus verschreibe ich mein Herzblut in meinen Liedern mit dem Ziel, meinen Teil dazu beizutragen, diese andere Musik zu schaffen.
Seit mehr als drei Jahrzehnten gehe ich als Liedermacher durch das Land und bemühe mich, in der kargen Dürre der deutschen Musiklandschaft die seltene, schöne, zarte Blume „Chanson“ auszusäen, zu hegen und zu pflegen!
Ich arbeite zu hart und lustvoll an meinen Texten, suche zu sorgfältig die Inhalte und feile zu leidenschaftlich an der kleinsten Wendung meiner Lieder. Ich lege zu viel Liebe und Sorgfalt in meine Arbeit im Studio und auf der Bühne, und ich verspüre eine zu hohe Achtung und Verpflichtung für das Publikum, das sie empfängt, als dass ich es hinnehmen könnte, dass sie ein Schelm oder ein Ahnungsloser im Dunstkreis des deutschen Schlagers ansiedelt. Ich verlange von mir zu viel Gradlinigkeit, ich stelle de Anspruch an mich zu hoch und ich habe zu viel Idealismus und Kampfgeist, um mich in diese Schublade stecken zu lassen.
Vielleicht wäre das ein Anlass für die Phono-Akademie, über eine Sparte „Chanson/Singer-Songwriter/Liedermacher“ nachzudenken, um auch jenem Teil der deutschen Musikszene gerecht zu werden, der sich nicht unbedingt allein an der Masse messen lässt, aber dafür einen wichtigen, künstlerisch anspruchsvollen Kulturbereich unseres Sprachraums darstellt.
Ich bedanke mich für die Absucht, meine Arbeit, mein `98er Album und die „Flaschenpost“-Tournee zu würdigen, aber ich bitte Sie mit Nachdruck, meine Nominierung in der von ihnen vorgeschlagenen Rubrik zu streichen, ich empfinde sie als Beleidigung.

Was unterscheidet das Liedermachergenre vom Schlager?

Verfasst: So 2. Nov 2003, 13:21
von Gast
Hallo,
die Diskussion ist ja so oder anders immer mal wieder geführt worden, auch schon hier im Forum. Aber ich finde es interessant und spannend, dass man das Problem immer wieder neu aufrollen kann und das es immer wieder gute Argumente gibt. Ich bin bei diesen Definitionssachen immer ein bisschen ratlos. Klar kann man es sich einfach machen und einfach sagen, ein "Liedermacher" ist halt jemand, der die Lieder die er singt, selber schreibt. Das sagt aber nichts über die Lieder selbst aus und darum ist es Bianca ja wohl auch gegangen.
Ich hab mich inzwischen damit abgefunden, dass man mit solchen Fragen irgendwie nicht richtig zum Ende kommt und für mich entschieden, dass es mir egal ist, wie ein Künstler sich nennt oder genannt wird, wenn's mir gefällt...
Aber doch noch mal kurz zu Marc und seinem Hinweis auf Biermann. Es stimmt, dass durch alle Lexika geistert, dass der Begriff "Liedermacher" von Wolf Biermann in Anlehnung an Bert Brechts Begriff "Stückeschreiber" geprägt wurde. Vor allem Biermann behauptet das selbst immer gerne. Wir dürfen das aber getrost als Teil seines Größenwahns sehen, denn der Begriff ist definitiv viel älter. Hätte sich einer von den klugen Lexikon-Redakteuren mal die Mühe gemacht und im Grimmschen Wörterbuch nachgeschaut (Band 6, L-M von 1885) hätte er Belege dieses Wortes bei Tieck und Wieland gefunden. Aber so ist es halt...
Michael

Was unterscheidet das Liedermachergenre vom Schlager?

Verfasst: So 2. Nov 2003, 13:22
von Gast
Hallo,
die Diskussion ist ja so oder anders immer mal wieder geführt worden, auch schon hier im Forum. Aber ich finde es interessant und spannend, dass man das Problem immer wieder neu aufrollen kann und das es immer wieder gute Argumente gibt. Ich bin bei diesen Definitionssachen immer ein bisschen ratlos. Klar kann man es sich einfach machen und einfach sagen, ein "Liedermacher" ist halt jemand, der die Lieder die er singt, selber schreibt. Das sagt aber nichts über die Lieder selbst aus und darum ist es Bianca ja wohl auch gegangen.
Ich hab mich inzwischen damit abgefunden, dass man mit solchen Fragen irgendwie nicht richtig zum Ende kommt und für mich entschieden, dass es mir egal ist, wie ein Künstler sich nennt oder genannt wird, wenn's mir gefällt...
Aber doch noch mal kurz zu Marc und seinem Hinweis auf Biermann. Es stimmt, dass durch alle Lexika geistert, dass der Begriff "Liedermacher" von Wolf Biermann in Anlehnung an Bert Brechts Begriff "Stückeschreiber" geprägt wurde. Vor allem Biermann behauptet das selbst immer gerne. Wir dürfen das aber getrost als Teil seines Größenwahns sehen, denn der Begriff ist definitiv viel älter. Hätte sich einer von den klugen Lexikon-Redakteuren mal die Mühe gemacht und im Grimmschen Wörterbuch nachgeschaut (Band 6, L-M von 1885) hätte er Belege dieses Wortes bei Tieck und Wieland gefunden. Aber so ist es halt...
Michael

Was unterscheidet das Liedermachergenre vom Schlager?

Verfasst: So 2. Nov 2003, 15:00
von Nordlicht
Hallo, Bianca !
Deine Fragen fordern einen ja regelrecht dazu auf, den Kopf einmal zu mehr zu benutzen als nur als Brillenhalter... *grins* Für mich selber mag ich aber diese Unterteilung garnicht so gern, denn ich bin zu der Überzeugung gelangt, daß es eine „Unterscheidung“ der Musik nur in GUTE oder SCHLECHTE Musik gibt. Nun ist dies sicherlich eine sehr subjektive Sichtweise, aber wenn etwas einen so tief im Inneren zu bewegen vermag wie Musik das schafft, MUSS das natürlich zwangsläufig subjektiv empfunden werden.
Ich weiß nicht, ob man tatsächlich starr die Kategorie „Liedermacher“ nur für jemanden reservieren sollte, der seine Texte und die Musik selber verfaßt. Wenn Du Dir die Reinhard Mey- LP „Ich wollte wie Orpheus singen“ anschaust, wirst Du merken, daß auch ein Herr Mey in der Anfangszeit nicht alle seine Texte selbst schrieb. War es deswegen „Schlager“ ? Genausowenig war das Arrangement der Stücke allein von ihm, ich erwähne hier nur den Namen Walter Richter. Und auf der anderen Seite: Schau Dir das Repertoire von Udo Jürgens an und nimm Lieder wie „Ein ehrenwertes Haus“, „Rot blüht der Mohn“ oder auch „Griechischer Wein“ – Schlager, Lieder, Chansons ??? Die Grenzen sind doch auch hier fließend...
Und geht man nach der Darbietung, wird´s noch verwirrender. Gefällige Orchestrierung, Unterteilung in gleiche Abschnitte („Strophen“), oftmaliges Wiederholen des Refrains – natürlich, das macht einen Schlager aus, gilt aber desgleichen für ein Lied wie „Über den Wolken“, das für mich persönlich zu den schönsten Stücken Musik gehört, die je geschrieben wurden. Ist es aber deswegen ein „Schlager“ ?
Und all dies gilt natürlich auch für Alexandras Text, den Du exemplarisch aufzählst. Genausogut hättest Du auch den den Text von „Zigeunerjunge“ posten können – auch dies ja Erzählung einer Geschichte...
Wer unbeweglich an dieser Kategorisierung festhält, der kommt bald in Erklärungsnöte, denn er muß ja nicht nur zwischen „Schlagern“, Liedern“ und „Chansons“ unterscheiden, er muß katalogisieren nach „sozialkritischem Schlager“, „trivialem Lied“ und „politischem Chanson“...und spätestens da kommt man dann mit der Einteilung in große ´Schwulitäten´... Zumal einem ja irgendwann sicherlich die Kategorien ausgehen werden.
Vielleicht sollte man tatsächlich sagen, daß es vielen (sicher nicht allen) Sängerinnen und Sängern gerechter werden würde, sie als „Storyteller“ zu bezeichnen, denn auch die Musikanten aus dem Bereich "Volksdümmliche Musik“ (die mir persönlich zuwider ist wie grüne Seife) erzählen doch letztlich in jedem ihrer Stücke eine Geschichte, mag sie auch noch so abstrus von heiler Welt o.ä. handeln.
Vielleicht ist´s ganz gut, daß sich für die Interpreten, denen wir zugeneigt sind, die Bezeichnung „Liedermacher“ eingebürgert hat, denn wenn man erst einmal beginnt, darüber nachzudenken, kommt man schnell vom Hölzchen auf´s Stöckchen. Und hat keine Zeit mehr, die Musik zu genießen. Gleichgültig, ob sie nun „Schlager“, „Lied“ oder „Chanson“ genannt wird. Und das wäre doch schade...
Liebe Grüße aus (noch) Lübeck,
ANDREAS.
(...der bei solch fast philosophischen Themen immer etwas länger für die Antwort braucht...)

Was unterscheidet das Liedermachergenre vom Schlager?

Verfasst: So 2. Nov 2003, 17:44
von Petra
Hallo Bianca,
Deine Fragen fordern einen ja regelrecht dazu auf, den Kopf einmal zu mehr zu benutzen als nur als Brillenhalter... *grins*
Dieser Satz von Andreas hat mir gut gefallen, er wird mir erlauben, dass ich mich dem anschließe. :-)
Es beruhigt mich, wenn ich lese, dass auch andere mit dieser strengen Einteilung Probleme haben. Obwohl ich sehr wohl weiß, dass Musik eine Wissenschaft ist, hat sie für mich jedoch sehr viel mit Gefühl zu tun. Vor einiger Zeit kam im Fernsehen ein Beitrag anlässlich des 60. Geburtstages von Knut Kiesewetter, der leider fast erblindet ist. Ich kam ins Zimmer und fragte sofort: 'Was ist das? Geht es da um Liedermacher?' Dabei habe ich natürlich nicht lange überlegt, ob das, was ich da hörte, von dem Interpreten selbst komponiert und in Verse gefasst wurde, nein - es war einfach ein Gefühl, in diesem Fall ein gutes Gefühl. :-D Ich hörte, dass es die Art Musik ist, die mir gefällt. Das Wort Liedermacher ist mir recht, weil ich damit ganz kurz beschreiben kann, in welche Richtung mein Musikgeschmack geht, aber ich möchte nicht zuteilen müssen.
Die Musik der 70er-Jahre habe ich nicht durch meine Eltern kennengelernt, sondern ich hatte selbst das Vergnügen. ;-) Die von Dir zitierte Alexandra habe ich geliebt, und wer noch ein schönes Lied von ihr kennenlernen will, dem empfehle ich den 'Traum vom Fliegen'. Das ist eine wunderschön erzählte Geschichte, aber wahrscheinlich gehört sie nicht ausgerechnet zu den fünf Liedern, die sie selbst geschrieben hat, wie ich weiter oben gelesen habe. Alexandra verunglückte tödlich, als ich 16 Jahre alt war, und auf der Suche nach 'meiner' Musik bin ich auf Reinhard Mey gestoßen, den ich nach wie vor sehr gerne höre. Aber auch Hannes Wader, den ich immer mehr schätzen lerne, zählt zu den Liedermachern, obwohl er viele Melodien übernommen, die Lieder also nicht alle selbst gemacht hat.
Zuletzt noch ein Wort zu Deinem Beitrag über das Kreativ-Forum: Wer selbst Musik macht, kommt wohl nicht umhin, neben dem Gefühl auch dem Handwerk Raum zu geben. Deine Idee finde ich schon interessant, aber da ich mich auf das Gefühl beschränken muss, schließe ich mich einfach Marcs Worten an. Er hat mir allerdings voraus, dass er wohl Gitarre spielen kann - nicht mal dazu reicht es bei mir. Für mich bleibt immer nur die Rolle des dankbaren Publikums, aber auch das hat ja seine Daseinsberechtigung.
Liebe Grüße von Petra, die froh ist, dass es so viele kreative Menschen :guitariste: gibt, die sich trauen.