Viktor hat geschrieben: ↑So 25. Okt 2020, 14:59
Eure Meinung? Ist euch die Zeile schon einmal wie ein falscher Ton aufgefallen?
Ich möchte mal die Umfrage-Funktion testen.
Meine Meinung kurz und knapp: künstlerische Freiheit.
Ich persönlich versuche zumindest schriftlich, ziemlich penibel nach bestem Wissen und Gewissen Worte richtig zu gebrauchen und Sätze und Interpunktion fehlerlos zu formen. Nach alter Rechtschreibung allerdings. Daß ich mich manchmal dabei erwische, umgangssprachliche Elemente und Ausdrücke zu verwenden, schließe ich dabei nicht aus, lasse es dann, wenn es mir auffällt, dann manchmal aber auch einfach so stehen.
Wenn es darum geht, nach musikalischen vermeintlichen Fehlern zu schauen oder in Liedtexten nach Fehlern zu suchen, finde ich in der großen Mehrheit der deutschsprachigen Lieder erhebliche Schnitzer und Fehler, teilweise sicherlich dem Versmaß geschuldet, teilweise unbewußt eingebaut, und teilweise vermutlich eben auch bewußt umgangssprachlich ausgedrückt.
Beispiel: Selbst in alten Liedern aus den 60 Jahren sind mir schon Textstellen aufgefallen, wo das Wort "brauchen" ohne "zu" gebraucht wurde.
Selbst bei Reinhard finden sich unsaubere Reime oder sprachliche Verbiegungen. Mir fallen sie manchmal auf oder ich überlege, ob das tatsächlich falsch ist, aber solange mich das Lied als Gesamtpaket überzeugt, kann ich damit gut leben. Im Lied Sommerende gibt es folgenden Ausdruck, der mich schon seit einiger Zeit beschäftigt:
"Das Dunkelgrün des Gartentischs verwittert und verbleicht".
Das habe ich anfangs irgendwie gar nicht bemerkt oder beachtet, bis ich mir irgendwann doch die Frage stellte, ob das nicht "verblichen" heißen müßte. Meiner Meinung nach ja, aber bei meinen Recherchen bin ich da inzwischen tatsächlich auf verschiedene Versionen gestoßen.
Was die Apostrophierung anbetrifft, da versuche ich inzwischen gar nicht mehr, die Welt zu verbessern. Neben dem Deppenapostroph gibt es da inzwischen so viele verschiedene Auswüchse, daß ich den Eindruck habe, daß es a) kaum noch jemanden stört, wenn falsch apostrophiert wird (wenn ein Fehler überhaupt erkannt wird) und u.a. genau deshalb b) sowieso jeder macht, wie er will.
Daß Heinz Rudolf Kunze Wert auf den sprachlichen Ausdruck legt und sich da auch auskennt, ist bekannt.
Für mich ist der sprachliche Ausdruck ein Kriterium, ob mir ein Lied gefällt oder nicht. Beispiel Thees Uhlmann: Skywise hat in seiner Plattenbau-Sendung einige Lieder von ihm gespielt. Die Lieder finde ich von der Musik und von den Inhalten her ansprechend, aber mir sind beim Hören zu viele bewußt oder unbewußt eingebaute sprachliche Punkte aufgefallen, die für mich das Gesamtpaket trübten, so daß ich mir noch keine CD von Thees Uhlmann gekauft habe.
Wie dann das jeweils gesungene Wort im Textheft noch abgedruckt wird, ist ohnehin noch ein anderes Thema. Überrascht war ich damals bei einem Text von Udo Juergens beim Lesen eines mir vorher schon bekannten Liedes. Darin heißt es: "Ich kann im Traum die Beatles überbieten". So weit so gut, im Textheft der CD las ich dann "Ich kann im Traum die Beatles überbeaten". Ich fand es schade, daß so ein Wortspiel beim Singen bzw. Hören nicht vermittelbar ist. Wo ich sonst oft immer noch um eine weitere Ecke rumdenke, wäre ich auf diese Variante ohne das Textheft nie gekommen. "Überbeaten" ist nun halb Deutsch, und ein bißchen eingedeutschtes Englisch. Somit könnte man das sprachtechnisch auch als Fehler ansehen. Die Frage, ob das Udos eigene Idee war oder ein anderer an der Plattenproduktion mitwirkender Mensch das so geschrieben hat ohne Udos Wissen, möchte ich hier gar nicht erst aufwerfen.
Aber auch sowas würde ich als künsterliche Freiheit ansehen, wie so viele Wortspiele, die man auch bei Bodo Wartke sprachtechnisch kritisch beäugen könnte. Aber Bodo hat bei mir einen Freifahrtschein, weil ich den Eindruck habe, daß er's kann und genau weiß, was er tut. Und oftmals ist es ja auch witzig.
Unter'm Strich nehme mir eben jeweils die Freiheit zu entscheiden, ob mir dann ein Kunstwerk / Lied / Produkt gefällt oder eben nicht.
Soviel zum Thema "Kurz und knapp"
Gruß
Georg
P.S. Zur Umfrage meine Meinung: ich finde das Original gelungen und Heinz Rudolf Kunze hätte es nicht auszubessern brauchen. Allerdings wundere ich mich etwas, daß sich HRK genau dieses Lied ausgesucht hat. Da gibt es ganz andere Baustellen anderer Künstler.....