Dieses persönliche Statement von Dir habe ich schon lieber gelesen als alle Zitate aus dem Buch, jetzt mal überspitzt gesagt.Marc hat geschrieben: ↑Mi 11. Mai 2022, 21:11 Mit vielen Liedern verbinde ich sehr persönliche Erfahrungen – die Geburten unserer Kinder, das Abschiednehmen von Freunden und Verwandten, kleine und große Lieben, kurzum: Mit wohl allen wichtigen Ereignissen in meinem Leben verbinde ich auch irgendein Lied aus Reinhards Feder. Sie gehören zu mir und zu meinem Leben.
Erst dachte ich, Du übertreibst hier bestimmt, konnte mir gar nicht vorstellen, dass wirklich konkrete Arrangements was zur Sache tun. Denn wenn er Liveprogramme außen vor ließe, wäre das ja noch nicht zwingend ein Indiz, dass es nur speziell um die Studioaufnahmen ginge; man könnte die Lieder ja auch losgelöst, einfach aus ihrem Kern heraus, betrachten... Aber nein, dann das Zitat mit dem Grillenzirpen, haha! Und natürlich das Erwähnen konkreter Tonarten und Studioinstrumentierung. Oder die unterstellte stilistische Vielfältigkeit... Dann verstand ich. Oh Mann.
Na ja, vielleicht erklärt es das zumindest ein bisschen? Will damit sagen: Ich verstehe nicht viel von Musiktheorie, aber letztlich glaube ich durchaus, dass man mit solchen Werkzeugen manchmal ans Eingemachte vordringen kann. (Da abstrahiere ich eher von sprachlichen statt musikalischen Analysen. Warum mich manches Gedicht von Horaz, Catull, Reinhard Mey besonders packt, könnte ich manchmal locker an tiefen Analysen aufzeigen, die jedes Wort umdrehen.)Ein Lied, das mich immer sehr bewegt hat, ist zum Beispiel „Das Meer“. Michael Schneider beschreibt es so: „Das Stück kippt von der Molltonart e in die Durtonart E: Es ist das Schreiten vom Dunkel ins Licht. Und gegen Ende des Refrains […] wird die Melodieführung mit Terzen, Sexten, Quarten erweitert, was den hymnisch jubilierenden Charakter dieses Liedabschnittes zusätzlich verstärkt“ (S. 28-29). Erklärt die Beschreibung wirklich, warum das Lied so viele Menschen berührt?
Insofern will ich meinen, dass Ansätze dieser Art nicht per se ein Zauberkiller sein müssen. Auch mal in die Trickkiste blicken zu dürfen, muss die Magie aushalten. Aber die wahre Kunst seitens des Analytikers wäre dann eben, diesen Feinkram für ein Publikum auch plausibel rüberzubringen, evtl. eben an emotionalen Aspekten zu illustrieren. Sonst ist man vielleicht im eher wissenschaftlichen Bereich. Und es nicht zu übertreiben. Sonst wirkt es einfach nur albern. Denn ob "Das Meer" nun in e-Moll startet, tut ja wohl nichts zur Sache. Hielte die Analyse nicht mehr Stand, wenn Reinhard mal einen Capo in den 1ten Bund setzte? Klingt für mich also, als wäre hier von beiden Irrwegen, dem wissenschaftlichen und dem albernen, etwas dabei.
Viele Grüße
Die Vorstellung, dass jemand über mich ein Buch schreiben und dieses für nicht wenig Geld verkaufen wollte (die Vorstellung ist sehr theoretisch und das Büchlein wäre sehr dünn, gewiss), man mich womöglich fragte, ob ich mit der Veröffentlichung einverstanden wäre, dies ablehnte, das Buch dann aber trotzdem veröffentlicht werden würde... - rechtlich wäre all das offenbar möglich, aber es hätte doch einen sehr, sehr faden Beigeschmack. Ich hoffe, meine Freunde würden das Buch über mich nicht kaufen - gleiches wünsche ich Reinhard!Biographien und Bücher
Derzeit auftauchende biografische Publikationen über meine Person und meine Lieder entziehen sich meiner Einflussname und entstehen ohne meine Mitwirkung und mein Einverständnis. Ich bin in keiner Weise daran beteiligt.
Quelle: https://www.reinhard-mey.de/blog/biographien-und-buecher, 12.05.2022
Das hat keinen Beigeschmack, sondern nennt sich Presse- und Publikationsfreiheit. Ist ja nett, dass der Autor die Person, um die es in seinem Buch geht, um die Genehmigung zur Veröffentlichung bittet, aber das muss er gar nicht. Wäre ja noch schöner, wenn Biographien, Artikel etc. nur mit gnädiger Erlaubnis des Porträtierten erscheinen dürften. Nur ein aktuelles Beispiel: Wenn ich mich richtig entsinne, hat "Das Haus an der Ampel" den ihm zweifellos gebührenden ersten Platz in den Charts nicht erklommen, weil ein gewissen Fynn Kliemenn mehr verkauft hat - und was Jan Böhmermann über diesen zuletzt ganz ohne seine freundliche Genehmigung publiziert hat, habt ihr vielleicht mitbekommen.[...]man mich womöglich fragte, ob ich mit der Veröffentlichung einverstanden wäre, dies ablehnte, das Buch dann aber trotzdem veröffentlicht werden würde... - rechtlich wäre all das offenbar möglich, aber es hätte doch einen sehr, sehr faden Beigeschmack
Das kommt drauf an. Stichwort "Tonartcharakteristik". e-Moll wirkt demnach melancholisch, klagend, betrübt. Ein f-Moll geht nach derselben Theorie schon eher in die Richtung schwermütig, leidvoll, düster. Mit einem Halbton höher geht's also dem Meer schlechter
Ja, die von Marc zitierte Stellungsnahme von Reinhard Mey ist mir leider auch negativ aufgefallen. Was soll diese etwas eingeschnappte Reaktion, weil der beschriebene Künstler nicht die Deutungshoheit auf Werk und Leben behält? Es sind ja Biographien, die vielleicht nicht gelungen sind, doch trotzdem eine Würdigung seiner Person und seiner Lieder bedeuten.
Und da wäre es mir persönlich als Autor ja einfach zu blöd, so ein Projekt anzugehen, wenn ich weiß, der Protagonist lebt noch und will es nicht.
Da hast du auch wieder recht. Aber wenn der Auftrag erst mal da und der Vorschuss kassiert ist...
Das Gespräch lässt sich als Podcast nachhören und herunterladen unter rbb-online.de - der (leider nicht namentlich genannte) Moderator hat sich mit dem Buch auseinandergesetzt und stellte dem Autor Michael Schneider unter anderem die Frage, warum er glaubt, die Lieder von Mey so interpretieren zu können, wie er es getan hat. Er wollte ebenfalls wissen, ob die Genehmigung von Reinhard Mey eingeholt wurde und die Reaktion darauf finde ich bemerkenswert.
Das ginge mir ebenso, lieber Viktor.Viktor hat geschrieben: ↑Do 12. Mai 2022, 11:03 Was soll mir ein Autor denn Neues erzählen können, wenn ich mit Reinhards Werk doch so vertraut bin? Es hat das Genre ja auch an sich, dass die Lieder äußerst direkt zugänglich sind; es handelt sich nicht gerade um abstrakte Kunst, die mir jemand erläutern müsste. Meiner Meinung nach wäre der einzig fruchtbare Weg, auf eine sehr persönliche Schiene zu gehen. Wenn ein Autor vielleicht bestimmte Lieder, Zeilen, Melodien mit seinem eigenen Leben, eigenen Gefühlen in Verbindung brächte, könnte es klappen, würde ich aufhorchen.
Lieber Marc, meine Kritik an Deiner Kritik zur Kritik Michael Schneiders an "Maikäfer fliege" hat vielleicht ein bißchen was Absurdes, aber ich kann Deinen Punkt gut nachvollziehen und vielleicht ist es so, dass dieses Buch für eine ganz bestimmte Zielgruppe geschrieben wurde, die Freude daran haben, sich mit genau diesen Details und durch diesen Blick auf die Lieder miteinander verbunden sind. Irgendwie bin ich mir sicher, dass es eine gewisse Zahl Menschen gibt, die genau diesen "Blickwinkel" auf die Lieder von Reinhard Mey gerne auch annehmen. Für mich hört sich das so an, als hätte Herr Schneider sich hier im Forum ebenfalls äußern können. Im Gespräch mit dem RBB gibt Michael Schneider zu, dass er die Idee, sein Buch in dieser Art zu schreiben, aus ähnlichen Projekten zu den Liedern der Beatles entnommen hat.Marc hat geschrieben: ↑Mi 11. Mai 2022, 21:11 Erklärt die Beschreibung wirklich, warum das Lied so viele Menschen berührt? Über „Maikäfer fliege“ – noch so ein Lied, das viele von uns sicher ins Herz geschlossen haben – schreibt Schneider auf Seite 39: Das Lied ist „in leuchtendes D-Dur getaucht. Nach einem beschwörenden kurzen Intro mit Akkordeon und Grillenzirpen (das auf den Live-Aufnahmen leider fehlt) ist die Szenerie des Liedes schon nach den ersten Texttakten […] in voller Leuchtkraft ausgebreitet.“
Auch dazu sagt der Autor im Gepräch mit dem RBB etwas...
Das finde ich ziemlich passend ausgedrückt.Viktor hat geschrieben: ↑Do 12. Mai 2022, 11:03 Insofern will ich meinen, dass Ansätze dieser Art nicht per se ein Zauberkiller sein müssen. Auch mal in die Trickkiste blicken zu dürfen, muss die Magie aushalten. Aber die wahre Kunst seitens des Analytikers wäre dann eben, diesen Feinkram für ein Publikum auch plausibel rüberzubringen, evtl. eben an emotionalen Aspekten zu illustrieren. Sonst ist man vielleicht im eher wissenschaftlichen Bereich. Und es nicht zu übertreiben. Sonst wirkt es einfach nur albern. Denn ob "Das Meer" nun in e-Moll startet, tut ja wohl nichts zur Sache. Hielte die Analyse nicht mehr Stand, wenn Reinhard mal einen Capo in den 1ten Bund setzte? Klingt für mich also, als wäre hier von beiden Irrwegen, dem wissenschaftlichen und dem albernen, etwas dabei.
Reinhard Mey wurde über die bevorstehende Veröffentlichung informiert und hat sie nicht "autorisiert" - mehr Infos braucht es eigentlich nicht. Ich schließe mich der Meinung von Michael an:Marc hat geschrieben: ↑Do 12. Mai 2022, 12:32 Die Vorstellung, dass jemand über mich ein Buch schreiben und dieses für nicht wenig Geld verkaufen wollte (die Vorstellung ist sehr theoretisch und das Büchlein wäre sehr dünn, gewiss), man mich womöglich fragte, ob ich mit der Veröffentlichung einverstanden wäre, dies ablehnte, das Buch dann aber trotzdem veröffentlicht werden würde... - rechtlich wäre all das offenbar möglich, aber es hätte doch einen sehr, sehr faden Beigeschmack. Ich hoffe, meine Freunde würden das Buch über mich nicht kaufen - gleiches wünsche ich Reinhard!
Den Verweis auf Fynn Kliemann fand ich übrigens sehr witzig...(und irgendwie auch tragisch...)
Lieber (wieder einBarde hat geschrieben: ↑Fr 13. Mai 2022, 12:06Ja, die von Marc zitierte Stellungsnahme von Reinhard Mey ist mir leider auch negativ aufgefallen. Was soll diese etwas eingeschnappte Reaktion, weil der beschriebene Künstler nicht die Deutungshoheit auf Werk und Leben behält? Es sind ja Biographien, die vielleicht nicht gelungen sind, doch trotzdem eine Würdigung seiner Person und seiner Lieder bedeuten.
Eben, es gibt halt nicht nur das Liedermacher-Forum, sondern auch Facebook und Telegram und da werden nur "Fakenews" verbreitet
..........Die Vorstellung, dass jemand über mich ein Buch schreiben und dieses für nicht wenig Geld verkaufen wollte (die Vorstellung ist sehr theoretisch und das Büchlein wäre sehr dünn, gewiss)