Das Forum braucht einen neuen Chef Liebe Forumsgemeinschaft,

ich wende mich heute mit wichtigen Neuigkeiten an euch als Betreiber dieses Forums. Es fällt mir nicht leicht, diese Worte zu schreiben, aber aus persönlichen Gründe werde ich die Plattform zukünftig nicht mehr weiterführen können. Es ist mir ein Anliegen, euch darüber zu informieren und gleichzeitig nach einer Lösung zu suchen, damit das Forum weiterhin existieren kann. Spekulationen über die genauen Gründe sind unnötig, es hat überhaupt gar nichts mit dem Forum zu tun. Mehr Dementi wird es nicht geben.
Was sind die Gründe?
In den vergangenen Jahren wurde es für mich zunehmend schwierig, mich ausreichend um das Forum zu kümmern. Dies zeigt sich nicht zuletzt darin, dass meine eigenen Beiträge immer seltener geworden sind. Obwohl ich die Arbeit an diesem Forum und den Kontakt zu all unseren Besuchern stets als angenehme Erfahrung empfunden habe, sehe ich mich nun mit der Realität konfrontiert, dass ich die aktuelle Verantwortung nicht mehr tragen kann.
Wer macht weiter?
Dennoch bin ich fest davon überzeugt, dass dies nicht das Ende unseres geschätzten Forums sein muss. Daher wende ich mich nun an euch alle und frage in die Runde, ob jemand bereit wäre, die Domain und das gesamte Forum zu übernehmen. Die technische Administration kann ich leider ebenfalls nicht länger gewährleisten, daher suche ich nicht nur nach einem neuen Eigentümer, sondern auch nach jemandem, der die Aufgabe der Serveradministration übernimmt.
Zeitplan und organisatorische Fragen
Mein Zeitplan sieht vor, den "Betrieb" so schnell wie möglich an einen geeigneten Nachfolger zu übergeben. Sollte sich bis zu diesem Zeitpunkt niemand finden, und falls ich keine andere Möglichkeit zur Fortführung des Forums finde, müsste ich die Abmeldung des Dienstes und der Domain wahrscheinlich im April oder Mai 2024 durchführen. Diese Entscheidung würde damit zusammenhängen, dass zu diesem Zeitpunkt die jährlich gebuchten Dienste wie Server, SSL, Domain usw. verlängert werden müssten.

Bis zu diesem möglichen Übergabetermin werde ich selbstverständlich weiterhin die laufenden Kosten (ca. 150 €/Jahr) tragen und mich darum kümmern, dass der Nachfolger sich in das Forensystem, die Dateistruktur auf dem Server sowie die Administration des Servers einarbeiten kann. Meine volle Unterstützung und Erfahrung stehen demjenigen zur Verfügung, der bereit ist, dieses Forum in die Zukunft zu führen.
Bitte meldet euch bei mir, falls ihr Interesse an einer Übernahme habt oder weitere Fragen habt. Lasst uns gemeinsam nach einer Lösung suchen, dass diese Gemeinschaft auch in Zukunft bestehen bleibt.

Ich habe HIEReinen Forenbeitrag eröffnet, der auch für Replys offen ist...

Wo sind die "politischen Liedermacher" von heute?

*DER SINN DER POLITIK IST FREIHEIT
Das Leben ist immer ein Leben mit anderen. Der Mensch ist ein „zoon politikon“, ein „staatsentwickelndes Tier“, wie Aristoteles formulierte. Er bedarf zu seiner Vervollkommnung der Gemeinschaft mit anderen Menschen. Die Frage ist nicht, wie uns heute im Zeitalter des begrenzungslosen Individualismus (und Egoismus) eingehämmert wird: Wie soll ich leben? Sondern: Wie sollen wir leben? - und darüber kann in diesem Forum diskutiert werden!

*Quelle: Webseite Akademischer Verein Kyffhäuser e.V.  | Foto © by Pixabay.com 
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Wo sind die "politischen Liedermacher" von heute?

Beitrag von migoe »

Piet hat vor zwei Tagen einen Artikel im Pressearchiv hinzugefügt mit dem Titel:
Zorn ist der Beginn der Kunst: Das politische Lied sucht Nachwuchs und findet ihn
Darin geht es um die Frage, die viele "ältere" Liedermacher stellen, wo nur der Nachwuchs der Protestsänger ist und wer ihnen als politischer Mahner nachfolgt. Namentlich erwähnt wird z.B. Konstantin Wecker.
Der Artikel zeigt unterschiedliche Nachwuchsbands/Projekte/Künstler auf, die die in Zukunft entstehende Lücke schließen könnten. Mich würde interessieren, wo ihr persönlich Nachfolger für die alteingesessenen und bekannten politischen Liedermacher seht, bzw. auch, welche Liedermacher "ersetzt" werden müßten bzw. unersetzlich sind?
migoe
Liebe Grüße aus Rothenburg
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Carsten K
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Wo sind die "politischen Liedermacher" von heute?

Beitrag von Carsten K »

Hallo Migoe,
erstmal Kompliment, schönes und wichtiges Thema! :-)
Wenn die "älteren" Liedermacher wie zB Konstantin Wecker fragen, wo der politisch amibitionierte Nachwuchs bleibt, erinnert mich das ein bißchen an meine Uni-Zeit, als sich viele Professoren - besonders die ehemaligen Alt-68er - gern und laut darüber beklagt haben, wie unpolitisch doch die damals gegenwärtige StudentInnen-Generation sei, und besonders diese Profs waren dann dann tödlich beleidigt, wenn wir auch ihre Seminare und Vorlesungen bestreikt haben... ;-)
Ich denke mal, die heutigen LiedermacherInnen sind nicht weniger politisch als ihre Vorgänger (und oft auch Vorbilder) aus den 70er und 80er Jahren, die Art, Politik in Liedern zu thematisieren hat sich vielleicht nur verändert. 16 Jahre Kohl-Regierung und 16 Jahre Kohl-Witze haben für mich persönlich zB dazu geführt, daß es irgendwann uninteressant wird, einem Publikum, das Kohl sowieso nie wählen würde, Anti-Kohl-Lieder zu präsentieren. Die "älteren" Liedermacher waren gegen den Vietnamkrieg, haben Lieder dagegen geschrieben und sind von ihrem Publikum dafür gefeiert worden. Die "jüngeren" sind ebenso wie ihr Publikum gegen den Irak-Krieg, aber sie schreiben vielleicht kein Lied mehr drüber...
Ich mag es zwar auch, Beifall zu kriegen, aber der Reiz beim Lieder machen liegt für mich auch darin, mein Publikum zu provozieren und in gewisser Weise auch dessen Widerspruch herauszufordern, und das kann bei einem Publikum, das politisch ja nicht so viel anders drauf ist als man selbst, leicht auch mal grenzwertig werden...
Aber die "älteren" waren auch nicht nur politisch, haben nicht nur wundervolle Liebeslieder über rein private Beziehungen geschrieben, sondern konnten dabei auch noch richtig witzig sein, siehe zB Ulrich Roski. Und wenn ich heute zB einen Kleinkunst-Preisträger wie Bodo Wartke höre, mache ich mir um den Nachwuchs eigentlich keine Sorgen. Es sind eher die Bedingungen in der heutigen Musikindustrie und Kulturszene(n), die mir Sorgen machen...
Aber auch die ändern sich ja schon wieder ein wenig, oder?
cARSCHti :-D
"Wenn man als junger Mensch aussah wie ein Hippie und sich einigermaßen treu geblieben ist, sieht man als alter Sack halt aus wie ein Penner und nicht wie Joschka Fischer."
Harry Rowohlt (1945-2015)

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Maren
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Wo sind die "politischen Liedermacher" von heute?

Beitrag von Maren »

Hallo cARSCHti,
Daß Du Bodo Wartke erwähnst, finde ich witzig. Mir ist nämlich genau der durch den Sinn gegangen, als ich das Posting gelesen habe.
Er sagt auf seiner CD "Achillesverse" nach dem Lied "was hat er?":
Es gibt ja viele Fragen, meine Damen und Herren, die mir als Kabarettisten oft gestellt werden. Zum Beispiel Herr Wartke, sagen Sie mal, Sie sind doch Liedermacher und Kabarettist, wieso sind Sie eigentlich nicht politisch?
Hierzulande ist es ja so, daß Kabarettistik und Liedermacherei immer noch den Nimbus des Politischen mit sich trägt, was ja auch eine alte, sehr schöne Tradition hat, ich muß mich also fragen: Warum bin ich es nicht.
Nun, viele Kabarettisten haben ja den Glauben oder zumindest die Hoffnung daran, daß sich durch ihr Werk und Schaffen die Welt zum Guten verändern lasse. Die Frage ist also: Will ich, daß sich irgendetwas ändert?
Stellen Sie sich folgende Situation vor: Ich schreibe ein Lied über ein politisch relevantes Thema, sagen wir mal: Umweltverschmutzung in den Vereinigten Staaten von Amerika. So sinngemäß: Hier, Herr Bush, so geht's aber nicht mit den ganzen Klimaanlagen und der Energieverschwendung, Sie sehen ja, was dabei rauskommt
und überhaupt, Sie haben das Kioto-Protokoll nicht unterschrieben, Frechheit!
Jetzt stellen Sie sich mal vor, der hört das, denkt sich dann: Oh ja, stimmt, Herr Wartke, Entschuldigung, Sie haben Recht, wo soll ich unterschreiben, geben Sie her!
Hab ich das Lied einmal gesungen und danach ändert sich die Welt und schwups ist das schöne Lied hinfällig geworden! Dieses Risiko ist mir zu groß, ich werde es nicht eingehen!
Damit hat er mehr gesagt, als manch anderer und trotzdem ist es herrlich subtil und ungenau. Das ist ein Grund, warum ich ihn so mag.
Ein anderer: Als er am Ende der Vorstellung, die für die am 18. 4. erscheinende DVD ankündigte, daß er am 11. September wieder auftreten werde, hielt das Publikum den Atem an. Er daraufhin (sinngemäß)
Jaja, ich weiß, was Sie jetzt denken, der 11. Septemeber ist ein wahrhaft geschichtsträchtiges Datum. Wenn Amerika sich damals 1973 nicht eingemischt hätte, wäre der Welt ein Pinochet erspart geblieben.
DAS sind für mich politische Aussagen par excellenc!!!
Und davon will ich auf jeden Fall mehr hören .
Maren, die sich schon freut, Bodo Wartke am 7.5. in Düsseldorf zu sehen
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Joerg
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Wo sind die "politischen Liedermacher" von heute?

Beitrag von Joerg »

Hallo an alle,
wer weiß, wo die politischen Liedermacher sind, vielleicht dort, wo auch die Blumen und die Mädchen sind. Nein, Scherz beiseite, ich denke, dass politische Texte immer noch geschrieben werden. Das Problem ist, dass eine neue Liedermacher-Generation nur schwer auf dem aktuellem Musikmarkt Fuß fassen kann.
Stephan Sulke hat mal geschrieben: "Musik mit politischen Texten ist wie Ficken und dabei ein Buch lesen."
Das beschreibt es meiner Meinung nach sehr gut. Politische Texte sind unsexy und verkaufen sich deshalb nicht. Also werden sie von den Medien weitestgehend totgeschwiegen. Wie schon häufig brodelt es deshalb im Untergrund um so mehr. Viele Texte sind jedoch anders formuliert als früher, weniger kämpferisch und feindbildorientiert. Ich denke jedoch auch, dass es nerven kann, einen ganzen Abend lang einen Liedermacher zu hören, der Bundestagsreden vertont. Wie gesagt, politische Texte sind unsexy und einen bißchen Spaß muss schon sein. Also lassen wir den Politikern ihre Politik und uns die Lieder. Meiner Meinung nach geht es doch vielmehr darum, Ideen und Visionen einer "hoffnungsvolleren Welt" zu besingen, als immer nur schwarz zu sehen. Oder aber Mißstände bloßzustellen statt anzugreifen. Es lebe die Ironie und der Sarkassmus.

Trotzdem stehe ich sehr auf kritische, politische Texte und kann es nicht lassen in meinen eigenen Texten meinen Frust abzulassen. Ich denke da gerade an den "Phrytz"-Titel "Wann gehn wir in den Untergrund?". Wen es interessiert kann mal bei www.phrytz.de  reinschauen.
Ich liefere den Text auch gerne ins Forum, doch jetzt habe ich erstmal genug geschrieben.
Jörg
:wink:
...

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Maren
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Wo sind die "politischen Liedermacher" von heute?

Beitrag von Maren »

Hallo Jörg.
Ich habe Deinen Beitrag jetzt ein paarmal gelesen.
Und irgendwas hat da immer bei mir gehakt. Ich kann es immer noch nicht genau in Worte fassen. Aber ich finde genau diese Haltung die Du da beschriebst, ausgesprochen gefährlich. Falls Du Deinen Beitrag provokant gemeint hast, lass uns mal drüber reden. Aber ansonsten, denke ich, daß genau diese Einstellung die ist, die immer mehr überhand nimmt und somit die Führung dieses Landes unkontrolliert rumwurschteln lässt. Zwischen dem Vertonen von Bundestagsreden und dem "Auf die Finger klopfen" ist ja nun auch noch ein großer Unterschied.
Ich habe mal in der Ausbildung einen Spruch gelesen, der mir sehr zu denken gegeben hat und meine Einstellung zu meinem Beruf verändert hat, wie nichts, was die Lehrer mir sonst beizubringen versuchten:
"Erziehung ist nie unpolitisch. Je unpolitischer sie sich gibt, desto verherender sind ihre Hierarchie- und Obrigkeitsstützenden Auswirkungen."
Heute nerven mich die Weggucker, die Hände-in-Unschuld-Wascher.
Ich lasse den Politikern nicht die Politik. Denn die Politik, die sie machen, bestimmt MEIN LEBEN!!

So, jetzt waren es doch ein paar Worte, die ich für das, was mich an Deinem Beitrag gestört hat, gefunden habe.
Aber irgendwie ist es noch nicht so klar, wie ich es mir wünsche. Trotzdem schicke ich es jetzt los. Erstens muß ich hier drei Enten zu Wasser lassen und zweitens setze ich mich nicht nochmal dran.
Auf eine fruchtbare Diskussion
Maren
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Piet
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Wo sind die "politischen Liedermacher" von heute?

Beitrag von Piet »

Hallo,
Zitat aus dem Pressebericht:
Wecker erklärte, als politischen Sänger könne man schon jeden bezeichnen, der sich der Musikindustrie verweigere. Auch ein Liebeslied könne politisch sein, wenn es die Liebe neu betrachte und mit den gängigen Vorurteilen aufräume.
Dem stimme ich zu.
Ich bin der Meinung, dass die Musikindustrie noch niemals politische Liedermacher gefördert hat und dass die Liedermacher es immer schon schwer hatten "Fuß zu fassen".
Alle die bekannten Liedermacher sind nicht durch die Musikindustrie bekannt geworden. Es gab politische Bewegungen oder relevante Themen die einen großen Teil unserer Gesellschaft erfaßt haben und da war auch das Forum für diese Liedermacher da.
Es mag für viele Menschen in unserer Gesellschaft im Moment uncool sein, sich ein politisches Lied anzuhören. Es wird aber immer wieder Liedermacher geben, die offen und direkt aussprechen was viele Menschen denken. Und denen man auch zuhört.
Ich selbst höre beides gerne, ein differenziert daher kommendes Liebeslied und ein pointiertes politisches Lied, wenn es mich denn gerade bewegt.
In diesem Sinne
Liebe Grüße
Piet

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Michael
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Wo sind die "politischen Liedermacher" von heute?

Beitrag von Michael »

Hallo,
Piet, wir geraten immer irgendwie aneinander, oder? ;-)

Ich bin der Meinung, dass die Musikindustrie noch niemals politische Liedermacher gefördert hat

Das stimmt definitiv nicht. Als es noch politische Bewegungen gab, die en vogue waren, hat die Musikindustrie politische Liedermacher massiv gefördert. Leute wie Degenhardt und Biermann haben eine Riesen-PR-Maschine in Gang gebracht, gerade weil sie auch gut verkauft haben. Und da ist das Politische gerade betont worden. (Gut, Biermann ist ein propagandistischer Sonderfall, aber trotzdem). Es gab in den siebziger Jahren auch unheimlich viel Newcomer, die unter dem Aspekt "Hier kommt der neue Degenhardt" auf den Markt geworfen wurden. Das hat sich dann nach gewisser Zeit um 180° gedreht und es hieß "Hier kommt ein Liedermacher, der nicht nur Politik betrachtet", da war das dann wieder eine Tugend.
Wecker selber kokettiert auch arg mit dem Bild des Künstlers, der sich der Industrie verweigert. Hätte er das wirklich immer gemacht, würde ihn heute schon keiner mehr kennen. Er hat sich seine Stellung im musikalischen Feld nicht mit penetrantem Außenseitertum und Verweigerungshaltung erarbeiten können, so was geht NIE.

Es mag für viele Menschen in unserer Gesellschaft im Moment uncool sein, sich ein politisches Lied anzuhören. Es wird aber immer wieder Liedermacher geben, die offen und direkt aussprechen was viele Menschen denken. Und denen man auch zuhört.


Da stimme ich dir absolut zu, aber vergessen wir nicht die, die ausdrücken, was nur wenige denken.
Michael
Und vielleicht gibt es morgen ja schon den Crash,
dass die Kurse und Masken fallen.
Also laßt uns freuen und träumen davon,
wie die Racheposaunen erschallen.
Franz Josef Degenhardt

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Piet
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Wo sind die "politischen Liedermacher" von heute?

Beitrag von Piet »

Hallo Michael,
aneinander zu geraten, ist ja keine schlechte Sache.:-)
Wie immer gibt es zwei Seiten einer Medaille. Wenn ich in meinen Plattenschrank sehe, gebe ich dir Recht. Wader, Wecker, Degenhardt z. B. wurden auch in den „klassischen“ Musikfirmen herausgegeben. Das ist für mich allerdings noch kein Grund, auch anzunehmen, dass die Verantwortlichen in den Plattenfirmen dieses getan haben, weil sie die Musik dieser Künstler wirklich fördern wollten. Sie hatten eher ein Gespür dafür, was sich gerade gut verkauft. Nicht umsonst haben es neue Liedermacher heute so schwer.
Wenn ich so etwas behaupte, tue ich sicher einigen Leuten in diesen Plattenfirmen Unrecht an. Natürlich gibt es Leute in den Plattenfirmen in den siebziger Jahren und heute, die diese Musikrichtung gerne fördern würden, nur es verkauft sich halt nicht so gut. Und das ist ja leider das alles beherrschende Kriterium, sich an einen Künstler heranzuwagen.
Warum entstanden denn neue Plattenfirmen wie pläne records (Wader), Trikont (Walter Mossmann), antagon (eigenes Label der Schmetterlinge)? Warum wird das Erstlingswerk von Hannes Wader zwanzig Jahre später (konnte man zwanzig Jahre nicht käuflich erwerben) von Conträr rausgegeben. Weil die klassischen Plattenfirmen die Liedermacherei so pflegen?
Gut, Wecker hat glaube ich nur bei polydor und Wader auch bei mercury (Universal) seine Scheiben veröffentlicht. Aber ich glaube, die sind eher auf den Zug aufgesprungen.
Konstantin Wecker habe ich in dem Presseartikel eher so verstanden, dass man als Musiker seinen eigenen Weg gehen sollte (und diese Musiker bezeichnet er dann als politische Liedermacher), wenn man bei den Plattenfirmen abblitzt. Nicht, dass er für eine Verweigerungshaltung gegenüber der Musikindustrie ist.
Ich bin genauso wie Du der Meinung, dass man wie immer einen Kompromiss finden sollte. Als Musiker eben auch gegenüber der Musikindustrie.
Gerade die, die ausdrücken was nur wenige denken, sollten wir uns bewusst anhören. Da haben wir ja genug Gelegenheit zu. Es werden uns hier im Liedermacher-Forum genügend „Neulinge“ vorgestellt.
Ich hoffe, mein Beitrag war ausgewogen genug!! Sonst wirst du mich sicher korrigieren, Michael.:-D
Grüße Piet

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Michael
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Wo sind die "politischen Liedermacher" von heute?

Beitrag von Michael »

Hallo,
Piet schrieb:

Das ist für mich allerdings noch kein Grund, auch anzunehmen, dass die Verantwortlichen in den Plattenfirmen dieses getan haben, weil sie die Musik dieser Künstler wirklich fördern wollten. Sie hatten eher ein Gespür dafür, was sich gerade gut verkauft.

Genauso meint' ich's auch. Die Leute von den Plattenfirmen würden ja auch ihren Job falsch machen, wenn sie nicht an die Verkaufszahlen denken.
Die Zeit, in der politische Liedermacher auch von den Firmen (und den Medien nicht zu vergessen) hochgehalten wurden, war ja auch nur ziemlich kurz.
Ansonsten stimme ich dir diesmal eigentlich sogar voll und ganz zu ;-)
Michael
Und vielleicht gibt es morgen ja schon den Crash,
dass die Kurse und Masken fallen.
Also laßt uns freuen und träumen davon,
wie die Racheposaunen erschallen.
Franz Josef Degenhardt

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Joerg
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Wo sind die "politischen Liedermacher" von heute?

Beitrag von Joerg »

Den Text "Wann geh`n wir in den Untergrund" der Band "Phrytz" findet ihr hier:
http://www.phrytz.de/Untergrund.htm 
...

Sago_Ph
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Wo sind die "politischen Liedermacher" von heute?

Beitrag von Sago_Ph »

Liebe Diskussionsteilnehmer,
ich lese mit Interesse, dass sich hier eine Diskussion aufbaut, die geradezu in der Definition des Wortes "Liedermacher" auftauchen könnte. Ich habe vor einiger Zeit die erste "heiße Phase" der Liedermacher, etwa von der Waldecker Zeit bis Mitte der 70er Jahre untersucht und ungeheuer viele Texte gelesen (AG-Song-Dokumentationen der großen Liedertreffen der 70er usw.). Die Szene war damals, als der Begriff "Politischer Liedermacher" sich bildete, ungeheuer produktiv - und ungeheuer unkritisch dem eigenen Schaffen gegenüber. Morgens in der Zeitung gelesen, Mittags zurechtgepfuscht, Nachmittags auf der Demo geträllert, so lief das damals teilweise. Ein großer Teil des frustrierenden Niedergangs unserer Kunst nach den 70ern gründet ganz simpel in schlechten Texten und schlechter Musik.
Warum sind Wecker und Wader Ausnahmen? Weil sie (neben einigem Schrott) seit Jahrzehnten sauber gearbeitete Musik und hervorragende Texte liefern. Und - Aufschrei erwünscht - da gibt es einfach Gesetzmäßigkeiten, die gelernt und trainiert sein wollen, die etwas mit Fleiß und Begabung zu tun haben und nicht nur mit der rechten, pardon, linken Gesinnung. Das meinte man in den 70ern nicht, und deshalb konnten nur wenige bis heute künstlerisch überleben.
Kennt ihr Christof Stählin? Er hat, schon als Waldeck-Teilnehmer genau darauf hingewiesen und galt daher in der Szene bis heute als elitärer Fatzke. Aber zwei Dinge zeichnen ihn aus: erstens die absolut überzeugende Qualität seiner Texte und seiner Musik bis heute und zweitens, dass er vor 15 Jahren eine Schule gegründet hat, in der sich junge Liedermacher zweimal jährlich treffen, um miteinander zu arbeiten und von ihm zu lernen. Bodo Wartke ist so einer: er kam vor einigen Jahren als spritziger, aber ungeschliffener Künstler an und hat sich seitdem konstant professionalisiert.
Die Diskussion über Politik im Lied ist wie bei einem platten Reifen erstmal den Dynamo zu kontrollieren: ein wichtiger Teil des Ganzen, den man aber nicht immer braucht, und der derzeit keinen vordringlichen Reparaturbedarf hat!
Es grüßt der Neuling
Sago_Ph
...

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Piet
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Wo sind die "politischen Liedermacher" von heute?

Beitrag von Piet »

Hallo Sago_Ph,
ein guter Einstieg für den ersten Beitrag.
Ich bin Dir dankbar, dass Du den Aspekt "Qualität" angesprochen hast.
Im Zusammenhang mit dem Thema in diesem Forum war mir nicht bewußt, das hier auch ein Grund für Erfolg oder Mißerfolg der politischen Liedermacher liegen könnte.
Christof Stählin sollte in die Rubrik Netztipps aufgenommen werden. Hast du Lust ihn vorzuschlagen und eine kurze Beschreibung zur Website zu verfassen.
Grüße
Piet

Gast
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Wo sind die "politischen Liedermacher" von heute?

Beitrag von Gast »

Lieber Sago_Ph,
ich finde deine Aussagen über die politischen Liedermacher sehr hilfreich und erhellend. Ich stimme deinen Einschätzungen auch in vielen Punkten zu, gerade, was das Handwerk und die (textliche und/oder musikalische) Qualität betrifft.
Allerdings denke ich, dass man das Phänomen der politischen Liedermacherbewegung nicht ganz von der Zeit, in der sie entstanden ist, abkoppeln darf. Auch wenn, wie du sagst, die "Produktivität" ein bisschen auf Kosten der Qualität ging, hatten die Lieder doch ihre wichtigen Funktionen. Wenn z.B. John Lennon ein simples Stück wie: "Give Peace a chance" schreibt, damit man eine gemeinsame "Hymne" auf Friedenveranstaltungen singen kann, dann verstehe ich die Intension.
Meiner Einschätzung nach ist es gar nicht so einfach, den Anforderungen der Fans gerecht zu werden, wenn man heutzutage ein "politisches" Lied schreibt (dazu gab es ja schon unterschiedliche Kommentare, was das eigentlich ist). Die Diskussion um Reinhard Meys Stück: "Alles o.k. in Guantanamo Bay", zeigt, dass es einem Liedermacher nicht (immer) leicht gemacht wird, seine persönlichen Empfindungen und Meinungen zu einem politischen Thema in einem Stück auszudrücken, ohne dass ihm (auch) Oberflächlichkeit oder Populismus unterstellt wird. Gut, mit Kritik muss man als öffentliche Person leben. Trotzdem ist es letztlich seine persönliche Sache, wie er ein Thema textlich und musikalisch umsetzt; vielleicht entspricht es so einfach seinen Gedanken und Empfindungen am ehesten?!
Gruß,
Bianca

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Maren
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Wo sind die "politischen Liedermacher" von heute?

Beitrag von Maren »

Hier bei Sago ist es nun so Sitte!!
Grüß Dich, Sago_Ph
Ich freue mich, hier einen so kompetenten Experten auf diesem Gebiet anzutreffen. Deine Arbeit liest sich wie ein who ist who.
Jetzt bin ich gespannt auf Deine Seite
Maren

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Sago_Ph
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Wo sind die "politischen Liedermacher" von heute?

Beitrag von Sago_Ph »

Lieber Jörg,
ich habe den Text gelesen. Worum gehts da eigentlich? Ist das schon ein politisches Lied, wenn in lockerer Folge einige Missstände aufgezählt, mit einigen Metaphern zusammengeklebt und einem kraftstrotzenden Refrain versehen werden? Es rüttelt mich nicht auf, es rührt mich allenfalls.
Und mit dem "in den Untergrund gehen" hab ich ernste Probleme. Es ist dieses "irgendwie schneidig, diese Untergrundkämpfer"-Gehabe. In welche Richtung läuft das Politische in solchen Texten eigentlich?
Sago_Ph
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Joerg
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Wo sind die "politischen Liedermacher" von heute?

Beitrag von Joerg »

Hallo Maren,
natürlich wollte ich ein bisschen provozieren. Aber vielleicht hast Du auch ein paar von meinen Aussagen überlesen, denn grundsätzlich sind wir bestimmt einer Meinung. Dann lass mich also versuchen, ein paar Sachen gerade zu rücken.
Mit meiner Aussage „politische Texte sind unsexy“ habe ich mich auf den aktuellen Musikmarkt bezogen. In den sechziger bis zu den achtziger Jahren, war es mitunter populär politische Texte zu schreiben. Also haben auch die Plattenfirmen solche Liedermacher veröffentlicht. Viele bekannte Liedermacher sind gerade in diesen Zeiten bekannt geworden.
Aktuell ist das ein bisschen anders. Heutzutage verkauft sich alles, was einfach ist, keine Ecken und Kannten hat. Die Medienwelt ist leider so gestrickt, dass nur das bekannt gemacht wird, was sich gut und zahlreich verkauft. Du musst nur für 10 Minuten den Fernseher laufen lassen um zu sehen: Sex verkauft sich besser als alles andere. Künstler, die sich nicht auf die Spielregeln dieser Medienlandschaft einlassen wollen, haben es also schwer, bekannt zu werden.
Ich habe ja auch gesagt, dass es im Untergrund (damit meine ich nicht die RAF oder so, sondern eine junge Liedermacher-Szene fernab der Medien) um so mehr brodelt und dort auch verstärkt politische Texte geschrieben werden. Man muss sich allerdings selbst bemühen, um auf diese Künstler aufmerksam zu werden. Im Internet geht das zum Glück sehr gut.
Aber es gibt ja nicht DEN politischen Liedermacher. Jeder Künstler hat Texte aus den Sparten Beziehung, Selbstreflexion, Politik, Gesellschaft…usw. im Programm. Jedes Lied ist von verschiedenen Einflüssen inspiriert worden. Ich kenne niemanden, der nur politische Texte schreibt. In der rechten politischen Szene ist das übrigens ganz anders. Das meine ich mit den „vertonten Bundestagsreden“, die mich auf die Dauer nerven.
Insgesamt würde ich auch nicht von „politischen“ Texten reden. Denn Politik ist eine von Parteien bestimmte Macht-Angelegenheit. Um wirkliche Zukunftsideen oder Visionen geht es da ja nicht. Natürlich hast Du Recht damit, dass nichts unpolitisch ist. Für mich geht es deshalb nicht um Politik im eigentlichen Sinne, sondern um das Beschreiben von Ideen, Visionen, Hoffnungen und Ängsten. Natürlich brauchen wir kritische Texte. “Weggucker“ und „Hände in Unschuld Wascher“ nerven mich auch. Mit dem Begriff politischer Liedermacher verbinde ich leider auch so was wie Agitation, egal in welche politische Richtung. Das meine ich mit meiner Aussage, dass wir den Politikern die Politik und uns die Lieder lassen sollen.
Ansonsten hast du mit dem, was Du geschrieben hast, Recht, da bin ich Deiner Meinung.
Dein Zitat von Bodo Wartke finde ich sehr gut.
Wenn du meinen Text „Wann gehen wir in den Untergrund?“ gelesen hast, dann wirst du hoffentlich sehen, dass die Band „Phrytz“ auch „politische“ Texte im Programm hat. Da der Text jedoch auch etwas provokativ ist, gibt es da hoffentlich noch Diskussionsbedarf. Sago hat ja schon entsprechend darauf reagiert.
Ich hoffe, dass ich damit ein paar Missverständnisse klären konnte. Wenn nicht, lass es mich wissen (ich habe mich selbst erst spät zurückgemeldet, da mein PC mich zwang, ein paar Tage offline zu sein).
Grüße
Jörg
...

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Joerg
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Wo sind die "politischen Liedermacher" von heute?

Beitrag von Joerg »

Lieber Sago,
schön, dass ich Dich mit meinem Text „Wann geh`n wir in den Untergrund?“ wenigstens rühren konnte. Es ist völlig OK, dass Dir der Text nicht gefällt. Aber die Tatsache, dass Du Dir Gedanken darüber gemacht hast, zeigt ja, dass der Text nicht völlig sinnlos sein kann.
Es ist auch gut und richtig, dass Du Probleme mit dem „in den Untergrund gehen hast“. Untergrund bedeutet jedoch nicht nur Guerilla, RAF, Terrorismus oder ähnlichen Quatsch. Untergrund kann auch bedeuten, den Kopf einzuziehen und abzutauchen. Ich stelle dem Leser (eigentlich Hörer) die Frage, wie er mit „Missständen“ umgeht. Setzt er sich damit auseinander, versucht er dagegen etwas zu tun oder wendet er sich ab und zieht weiter seinen eigenen Stiefel durch. Oder weiter gefragt, hast Du dich schon mal gefragt, ob es einen Punkt gibt, an dem Du Aufstehst? Wofür würdest Du kämpfen, wann ist Deine Schmerzgrenze erreicht? Ich fordere ja niemanden auf, auf die Straße zu gehen oder zu den Waffen zu greifen, ich stelle im Refrain lediglich Fragen. Die Antwort darauf muss sich jeder selbst geben. Die Missstände, die ich mit „Metaphern zusammengeklebt“ habe, sind Umstände, die mich persönlich aufregen, und bei denen ich das Gefühl habe, dass sie sich wiederholen und immer wieder neu erschaffen. Was aus Kriegstreiberei und Arbeitslosigkeit wachsen kann, hat uns die Geschichte gezeigt. Und damit wären wir wieder beim Refrain und der Frage mit dem Untergrund. Die Frage ist, was machen wir aus diesem Wissen?
Da Du Dich anscheinend akademisch mit politischen Liedermachern auseinander zu setzen scheinst, würde ich Deine Frage, was ein politisches Lied ist, gern an Dich zurückgeben. Mir persönlich ist es egal, ob „Untergrund“ ein politisches Lied ist. Von Schubladen halte ich nichts.
Danke für Dein Feedback
Viele Grüße
Jörg

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Wo sind die "politischen Liedermacher" von heute?

Beitrag von migoe »

Lieber Jörg,
ich möchte mich nicht oberlehrerhaft aufführen und kann auch verstehen, daß Du Politik als "unsexy" betitelst - viele Menschen im persönlichen Umfeld sind ähnlicher Meinung und zappen lieber weg, wenn Nachrichten usw. kommen. Sie beschäftigen sich lieber nicht "bewußt" mit den Themen, die ihnen "die" Politik scheinbar vorgibt, auch wenn sie deshalb natürlich nicht automatisch "unpolitisch" sind.
KEIN Mensch auf dieser Mensch ist unpolitisch! Davon bin ich absolut überzeugt und meine auch, wenn jemand von Liebe singt und seine eigenen Ansichten dabei zum Besten gibt, so verändert er mit jedem neuen Vortragen seiner Lieder die Meinungen der Zuhörer oder bestätigt die bereits vorhandenen Meinungen/Ansichten/Gefühle. Schon alleine damit wird ein politischer Einfluß deutlich.
Nicht immer werden "politische Texte" vom Hörer/Leser so verstanden und aufgenommen, wie der Autor/Vortragende sich das vorgestellt hat. Die Reaktionen auf Deinen Text machen das für mich auch wider exemplarisch deutlich:
Es wird Menschen geben (vielleicht sind sie ähnlich "gepolt" wie Du!?), die sich gut hineinversetzen können in die Aussagen des Liedes und für sich die Fragen beantworten oder bereits die Fragen als eine Art "politische Aussage" sehen. Wieder andere werden damit gar nichts anfangen können und nochmal eine andere Fraktion wird vielleicht meinen, daß sie zwar die Aussage nachvollziehen können, ihnen das alles aber viel zu weit oder nicht weit genug geht.
Wie vieles im Leben liegt also auch das vor allem im Auge des Betrachters/Hörers und ist individuell unterschiedlich. Eine Wertung (sollte eine Aussage auch noch so wertend gemacht werden) ist damit nie im objektiven Sinne verbunden, denn ALLES ist relativ!
Drum meine Bitte an alle Liedermacher der Welt:
Sagt und schreibt und singt was immer ihr zu sagen, schreiben und singen habt, wenn es von Herzen kommt und ehrlich gemeint ist.
migoe
Liebe Grüße aus Rothenburg
migoe | www.liedermacher-forum.de | 2003-2024
...
Alles ist vorstellbar! Leider oder zum Glück? ... Es kommt darauf an was DU daraus machst!

Gast
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Wo sind die "politischen Liedermacher" von heute?

Beitrag von Gast »

hallo an alle,
jetzt habe ich eine Weile dieses spannende aber auch komplizierte Thema still mitgelesen und will nun versuchen, meine Gedanken zu diesem Thema aufzuschreiben.
Ob politische Liedermacher unsexy sind, mag ich bezweifeln, aber es gibt ein paar Gründe, warum ich mich mit politischen Liedermachern schwer tue und selbst fast unfähig bin, über Politik zu schreiben.
Der erste Grund ist, dass die Fronten einfach nicht mehr so klar sind, wie in den 70er und 80er Jahren. Ich erinnere an die Situation in den 90ern in Ex-Jugoslawien.
In den 70ern und 80ern war es sehr leicht, gegen den Krieg zu singen. Plötzlich war nun die Situation, dass eine sozialdemokratische Regierung argumentierte, dass nur ein Eingreifen in diesen Konflikt einen Völkermord verhindern kann.
Ich will jetzt nicht über diesen Konflikt diskutieren, sondern nur aufzeigen, in welchem Dilemma ein heutiger Liedermacher steckt. Ist man nun gegen Krieg oder gibt es Situationen, wo er nicht vermeidbar ist.
Das gleiche gilt für den "Krieg gegen Terror". Bin ich für ein verschärftes Asylrecht, weil ich seit den Anschlägen von Madrid Angst habe oder bin ich gegen Diskriminierung von muslimischen Einwanderern? Versteht ihr, wie kompliziert das alles heute ist? Und dann schreib mal ein politisches Lied, das auch noch ausgewogen sein soll und nicht nur platt.
Und schon funktionieren heute scheinbar die alten Parolen, die damals so gut klangen nicht mehr. Und wenn man trotzdem versucht, darüber zu singen, dann wird es sehr (zu) kompliziert. Ein gutes Beispiel dafür ist auch die Diskussion um das Guantanamo-Lied von Mey. (Populismus Vs. Aufschrei gegen Ungerechtigkeit.)
Der zweite Grund für meine Schwierigkeiten mit politischen Liedermachern ist eine gewisse Enttäuschung über die alten. (WEcker, Mey etc.) Ich denke manchmal, dass ich gar nicht mehr unterscheiden kann, wo die Ehrlichkeit aufhört und Kommerz anfängt. Ich sehe im Fersehen einen jungen Wecker, der mich geradezu aufrüttelt und im gleichen Beitrag einen älteren Mann, dem es scheinbar so richtig gut geht.
Ich hatte mal versucht, meinen Idolen eine Cd von mir zu schicken, weil ich immmer sehr stolz bin, wenn sie dann antworten. Der Liedermacher Gerhard Schöne schrieb mir nach einer Woche einen sehr persönlichen Brief. Kontantin Weckers Management schrieb mir eine kurze Mail, dass Herr Wecker in diesem Jahr keine Zeit mehr für sowas hat. Versteht ihr, was ich meine? Dieser Mensch ist so weit weg für mich. Und man sieht den jungen Wecker und den jungen Mey im Fernsehen und fragt sich, wo die hin sind. Und ob sie sich nicht schon verkauft haben? Viele Ostdeutsche kennen den leider viel zu früh gestorbenen Liedermacher Gerhard Gundermann. Er verkaufte viele Platten, aber wollte nie seinen Job als Baggerfahrer aufgeben. Er hätte gut von Musik leben könne, aber er sagte, dass er dann nicht mehr über das Leben der einfachen Menschen singen kann, weil fast kein einfacher Mensch von seinem Hobby lebt. Ich sehe schon die Diskussion voraus, ob es nun schlimm wäre, von Musik zu leben. Das finde ich ganz und gar nicht. Aber es ist irgendwie mein ganz supjektiver Eindruck, dass von den jungen politischen Liedermachern der 70er und 80er Jahre zuviele sich zu sehr verkauft haben. Und dann frage ich mich, ob die jungen idealistischen Männer von damals etwas verändern konnten. Oder haben sie irgendwann resigniert?
So, und nun wíll ich mich auch noch mit einem eigenen Lied der Kritik stellen, dass über meine ganz persönliche Politikverdrossenheit handelt und damit (für mich) schon wieder politisch ist. Freue mich über jede Kritik.
Der Song als mp3 hier:
http://www.scamp-online.de/mp/Revolutionmp.mp3 

Der Text als PDF hier:
http://www.scamp-online.de/pdf/revolution.pdf 
MfG
David (Scamp)
www.scamp-online.de 

Sago_Ph
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Wo sind die "politischen Liedermacher" von heute?

Beitrag von Sago_Ph »

Lieber Scamp,
die Geschichte von Reinhard Mey ist bemerkenswert, er stand als Anfänger auf der Waldeck, '68 oder '69 und wollte Platten verkaufen. Die Szene, die '64 unpolitisch-folkloristisch angefangen hatte, reagierte empört: "Privat" war damals ein Schimpfwort. Aber das Publikum hat ihn gemocht und die Plattenfirmen. Die Intercord hat ihm als einem der ersten aus der gesamten Szene einen Vertrag gegeben. Die politisierte Szene hat noch eine Weile gegen ihn gestänkert, während er nicht nur Karriere machte (mit den Liedern, die er immer schreiben wollte), sondern auch noch zum Inbegriff des Liedermachers überhaupt wurde. Zehn Jahre später fiel die ganze politische Szene in sich zusammen wie ein erkaltetes Soufflé und Mey konnte überleben, weil er immer noch die Lieder sang, die er wollte. Und dann kam "Meine Söhne geb ich nicht". Plötzlich erhob der "Privatsänger" seine Stimme, und zwar hochpolitisch aber in seiner Privatheit ganz unpopulistisch. Und heute singt er immer noch die Lieder, die er will, wenn er politisch wird, wirft man ihm aber latent Populismus vor. Ich habe, obwohl ich keine Mey-Platten kaufe und nur wenig der neuesten Lieder kenne, vor einer so beständigen und immer ehrlichen Karriere großen Respekt. Mit seiner Vorsicht in den nun weiß Gott agitativen 60ern hat er eine Unabhängigkeit erworben und bewiesen, die ihn jetzt meines Erachtens gegen jeden Vorwurf immun macht.
Noch etwas zur Prominenz: Wieviele CDs bekommt Wecker wohl pro Monat geschickt? Ich schätze mal so 10-20. Wieviele gute sind darunter? Vielleicht 2. Der Qual des Endlos-Hörens von ungewolltem Schrott setzt sich wohl niemand freiwillig aus, oder? Meine CD (hoffentlich wird sie nach ca. 1,4 Mrd. Jahren Arbeit endlich mal fertig) schicke ich keinem Promi, sozusagen aus Mitleid.
Sago_Ph
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